Die Resultate einer Langzeitstudie lassen vermuten, dass sich infolge einer Thymektomie bei Myasthenia gravis sekundäre Autoimmunkrankheiten entwickeln können.
Die Myasthenia gravis pseudoparalytica ist eine Autoimmunkrankheit mit Störung der neuromuskulären Übertragung. Zirkulierende polyklonale Antikörper führen zur Blockade und Abnahme der postsynaptischen nikotinergen Acetylcholin-Rezeptoren an der motorischen Endplatte.
Die Folge ist eine belastungsabhängige Muskelschwäche. Bei 85% aller Myastheniker sind Veränderungen des Thymus zu beobachten – bei 85% eine Thymushyperplasie und bei 15% ein Thymom, das maligne Entarten kann. Mittels der therapeutisch oft durchgeführten Thymektomie zur Ausschaltung der Antikörperbildung (u.U. in Kombination mit Immunsuppressiva) kann in 75% der Fälle ein positives Ergebnis erzielt werden.
Ein italienisches Wissenschafterteam der Universität von Perugia (Dr. Roberto Gerli et al.) evaluierte immunologische Parameter bei einer Gruppe von 35 Myasthenikern. 16 Patienten unterzogen sich innerhalb der vorausgegangenen acht Jahren einer therapeutischen Tymektomie, sechs wurden im Laufe des Jahres vor Studienbeginn thymektomiert und 13 Probanden weisen intakte Thymusdrüsen auf.
Zu Studienbeginn kann bei der Gruppe der Langzeitthymektomierten eine milde T-Zell-Lymphopenie, normale Gesamt-B- und zirkulierender CD5+ B-Lymphozyten-Werte, gesteigerte IgM- und IgG-Werte sowie hohe Spiegel organ- und nicht-organspezifischer Autoantikörper diagnostiziert werden. Diese Anormalitäten werden bei den kürzlich thymektomierten und nicht thymektomierten Myasthenikern nicht registriert.
Nach drei Beobachtungsjahren kann bei zwei der 16 langzeitthymektomierten Patienten die Entwicklung eines systemischen Lupus erythematosus beobachtet werden. Die Wissenschafter konkludieren, daß obwohl die Effektivität der therapeutischen Thymektomie bei Myasthenia gravis nicht in Frage steht, die Studienresultate das Konzept unterstützen, daß der chirurgische Eingriff zu einem ‚Erkrankungs-Wechsel‘ führen kann.
Die Ergebnisse lassen eine bivalente Rolle des Thymus bei Myasthenia gravis-Patienten vermuten. Einerseits scheint die Entwicklung einer neurologischen Erkrankung gefördert zu werden, andererseits scheint die Entstehung einer sekundären Autoimmunerkrankung verhindert zu werden.
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