Die Entdeckung erhöhter Enzymwerte bei Schizophreniepatienten in der ersten Phase, in Verbindung mit einer speziellen viralen Infektion, gibt der Theorie Auftrieb daß ein genetisch - viraler Zusammenhang bei Schizophrenie besteht.
Die Ätiologie der Schizophrenie ist unbekannt, aber es wurde schon länger eine genetische Komponente vermutet. Auch Umwelteinflüsse zählt man zu den möglichen Gründen für das Auftreten schizophrener Störungen, da ein Zusammenhang zwischen Infektionen in der Schwangerschaft und einem späteren Auftreten dieser Krankheit zu bestehen scheint.
Den Forschern ist es jedoch nicht gelungen, eine Verbindung zu einer bestimmten Virusinfektion nachzuweisen. Es wird daran gearbeitet, einen biologischen Marker zu identifizieren, um eine Risikogruppe präventiv zu ermitteln.
Eine Arbeitsgruppe des Stanley Neurvirology Laboratory um Dr. Robert Yolken in Zusammenarbeit mit der Johns Hopkins Universität konzentriert ihre Forschungen nun auf die Rolle des genetischen Materiales von Retroviren, die vor Millionen Jahren in die menschliche DNA integriert wurden.
Laut Dr. Yolken könnte Schizophrenie durch das Aktivieren der sonst inaktiven Retroviren ausgelöst werden, wobei aber noch nicht bekannt ist, wodurch diese Aktivierung in Gang gesetzt wird. Als Auslöser vermutet werden bislang nur andere Viren wie die Grippe oder äußere Einflüsse im Mutterleib bzw. während der Kindheit.
Retroviren können sich nicht selbst reproduzieren. Sie leben als Schmarotzer in Wirtszellen und replizieren sich durch Verwendung reverser Transkriptase (RT).
Man vermutet, daß hohe RT-Levels ein Anzeichen für retrovirale Aktivierungen sind.
Eine Vorläuferstudie besagt nun, daß das Gehirn schizophrener Patienten höhere RT Levels aufweist. Daran anschliessend verglich das Team um Dr. Frances Yee die RT Konzentrationen des Liquor und des Rückenmarks bei 18 stationären Schizophrenipatienten im Vergleich mit 18 gesunden Testpersonen.
Die Auswertung ergab, daß die RT Konzentration an Schizophrenie Erkrankter beinahe viermal so hoch war als bei gesunden Personen. Überdies sinkt die RT Aktivität während des Krankheitsverlaufes kontinuierlich. Nach Dr. Yee ist es demnach möglich, Schizophrenie anhand dieser Aktivitäten zu diagnostizieren.
Diese Behauptung ist derzeit Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen:
Darren J. Hart von der Tulan University School of Medicine, der die Evidenz von Antikörpern gegen Retroviren bei der Hälfte seiner Testpersonen entdecken konnte, nimmt an, daß die Wechselwirkung viraler Infekte mit Schizophrenie und anderen psychischen Störungen nicht allgemein gültig, sondern lediglich auf Untergruppen zutrifft.
Die Ergebnisse bieten in jedem Fall wichtige Implikationen für die Klärung der Ätiologie, Diagnose und Therapie bei Schizophreniepatienten.
Es wäre möglich, daß die Diagnose zukünftig mittels eines Bluttests erfolgen würde. Die Therapie könnte durch die zusätzliche Verwendung antiviraler Medikation revolutioniert werden, es wurden allerdings noch keine klinischen Studien mit antiviralen Medikamenten durchgeführt.
Da Retroviren vererblich sind, liefern diese Ergebnisse Grund zu der Annahme, daß die Schizophrenie viraler Ätiologie genetisch bedingt ist und damit ebenfalls zu den Erbkrankheiten zählen würde. So könnte das konzentrierte Auftreten schizophrener Störungen innerhalb einer Familie erklärt werden.
© medizin.at