News

Contergan-Wirkstoff als Krebsmedikament

01.12.1999

Eine neue Studie zu Thalidomid als Therapeutikum für Multiples Myelom wurde nun von Dr. Brian G.M. Durie, dem Vorstandsvorsitzenden der International Myelom Foundation und Forschungsdirektor des Cedars-Sinai Comprehensive Cancer Center in Los Angeles (Ca), präsentiert.

Kaum jemals geriet ein Medikament und mit ihm eine Branche in so fundamental öffentlichen Verruf wie Contergan - seit einiger Zeit unter dem Wirkstoffnamen Thaliodomid wieder am Markt -, dennoch ist sein zentraler Wirkstoff alphaphtalimidoglutarimid durch die nun nach mehreren Jahren klinischer Studien manifeste tumorbekämpfende Wirkung bei der Behandlung des Multiplen Myeloms mehr denn je Hoffnungsträger der an der unheilbaren Knochemarkserkrankung Leidenden.

Bekannte Anwendungen
Thalidomid wird heute zur Linderung von schmerzhaften Nebenwirkungen bei Lepra, als Schmerzmedikament bei AIDS, bei Autoimmunerkrankungen (Lupus Erythematodes - eine äußerst schmerhafte Entzündung der Haut), bei Tuberkulose und in der Krebstherapie (Hirntumore, Prostatakrebs, Brustkrebs) eingesetzt. Weiters wird das Medikament angewandt, um die oft tödliche Auszehrung von AIDS-Patienten zu verhindern.

Doch der Einsatz von Thalidomid als Therapeutikum wurde weiter untersucht: Das dringende persönliche Engagement der New Yorker Anwältin Elizabeth Wolmer, bei deren Ehemann 1995 im Alter von 35 Jahren Myelom diagnostiziert wurde, löste eine erneute Diskussion unter führenden Wissenschaftern über weitere mögliche Anwendungsgebiete von Thalidomid - so zum Beispiel des Multiplen Myeloms, einer seltenen, unheilbaren Art von Knochenmarkkrebs - aus.

So ergibt eine neue Studie zu Thalidomid als Therapeutikum für Multiples Myelom neben der bekannt schmerzlindernden nun eine tumorbekämpfende Wirkung des Medikamentes.

Hoffung für Krebs-Patienten?
In Einzelfällen wurde ein möglicher positiver Einfluß des Medikamentes an Patienten, die nach hochdosierte Chemotherapie einen erneuten Krankheitsrückfall erlitten hatten, festgestellt, sodaß weitergehende Versuchsreihen aufgenommen wurden. Obwohl Thalidomid als Therapeutikum für Multiples Myelom von den amerikanischen Gesundheitsbehörden noch nicht approbiert wurde, zeigten diese Forschungen sowohl positive Beeinflussung des Krankheitsgeschehens als auch negative Nebenwirkungen.

So etwa klagten Patienten über Müdigkeit und Bwußtseinstrübungen, die das Alltagsleben erschwerten. Auch wären weitere Studien notwendig, um den Einsatz von Thalidomid in früheren Stadien der Erkrankung und eine damit möglicherweise noch effizientere Therapie erforschen zu können.

Die nun im New England Journal of Medicine vorgestellte Studie, die an 84 MM-Patienten durchgeführt wurde, " bestätigt sowohl Berichte über die Wirksamkeit von Thalidomid als MM-Therapeutikum als auch die Möglichkeit, das Medikament in niedrigerer Dosierung anwenden und damit Patienten längere Therapieperioden hindurch behandeln zu können", ist Dr. Durie überzeugt.

Zustandsbesserung bei 1/3 der Untersuchten
In der an der medizinwissenschaftlichen Fakultät der Universität von Arkansas unter der Leitung von Dr. Bart Barlogie durchgeführte Studie an Patienten mit fortgeschrittenem Knochenmarkkrebs erwies sich Thalidomid als wirksames Antitumor-Mittel, wie die Forscher unterstreichen, denn "in den meisten untersuchten Fällen fiel auch der Anteil an Plasmazellen im Knochenmark und der Hämoglobinspiegel stieg, was mit der Wirkung eines Antitumor-Effektes korreliert." Allerdings sei der Mechanismus der Wirksamkeit noch nicht endgültig erforscht, wiewohl die antiangiogenischen Eigenschaften eine Erklärung sein könnte, meint Dr. Barlogie.

Bei immerhin einem Drittel der Untersuchten besserte sich der Zustand mit fortschreitender Thaliadomid-Gabe zum Teil erheblich, obwohl fast alle in vorhergegangenen Behandlungsphasen alle Therapiemöglichkeiten bis hin zu höchstdosierter Chemotherapie als letztem Mittel erfolglos ausgeschöpft hatten.

Therapie auch im Frühstadium?
Die Vorteile von Thalidomid seien in der Tat "bemerkenswert", sekundieren auch Dr. Noopur Raje und Dr. Kenneth Anderson vom Dana-Farber Cancer Institute in Boston, die in ihrem Editorial zur Studie zum Schluß kommen, daß die Ergebnisse vor allem so überzeugend seien, da Thalidomid selbst bei jenen Patienten Wirkung gezeigt hatte, die auf konventionelle Behandlung nicht mehr ansprachen.

"Die hohe Wirksamkeit selbst im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung in Verbindung mit der geringen Toxizidät legt die Erforschung des Mittels auch in frühen Stadien - sowohl als Einzelmedikation als auch in Verbindung mit Chemotherapie - nahe", fassen die Wissenschafter die Studienergebnisse zusammen.

Einsatz in Österreich
Auch in Österreich wird das Medikament angewandt, wenn eine Schwangerschaft definitiv ausgeschlossen werden kann. Zwar ist das Patent zu Contergan bereits ausgelaufen und etliche Hersteller haben ähnliche Produkte auf den Markt gebracht, die ursprüngliche Pateninhaberfirma, die noch heute monatliche Entschädigungen an die Opfer leistet, überprüft hier die Verwendung des Medikamentes genau und bewilligt seinen Einsatz nur bei bestimmten Diagnosen. Diese Fälle werden registriert und dem Gesundheitsministerium gemeldet.

Contergan-Syndrom
Das als "Contergan-Syndrom" bekanngewordene Wiedemann Dysmeliesyndrom, also die Mißbildungen durch Thalidomid, wurde nach heutigem Wissensstand dadurch ausgelöst, daß die Substanz in der 4. bis 6. Schwangerschaftswoche zu einer Oxidation der DNS und der nachfolgenden Integration der oxidierten Elekronen in die Erbsubstanz des Embryos führte.

Der so manipulierte genetische Code verursachte fehlgesteuertes Wachstum von Extremitäten und Organen. Spätere Versuchsreihen an trächtigen Häsinnen zeigten, daß bei Gabe von Antioxidantien die Mißbildungen ausblieben.

© medizin.at

 

home

newsroom
allgemein
wissenschaft
hintergrund

links
österreich
international
journale
abstracts

fragen
themenliste

update


medizin.at
editorial
kommentar

kontakt
redaktion
herausgeber
medieninfo

partner

help

 

© treAngeli, 1999.