Ein Schwerpunktthema war dem Kopfschmerz gewidmet, der in 170 verschiedenen Formen auftreten kann.
"Kopfschmerz kann ein Krankheitssymptom oder Ausdruck einer Existenznot sein", erklärte Prof. Dr. Hans Georg Zapotoczky, Vorstand der Univ.-Klinik für Psychiatrie, Graz.
Chronische Kopfschmerzen sind meist ein multikausales Geschehen. Monokausale Kopfschmerzen - beispielsweise im Rahmen einer Subarachnoidalblutung oder vereiterter Nasennebenhöhlen - treten meist akut auf und schwächen Dauerschmerzen ab. Die häufigsten Ursachen für Kopfschmerzen können teilweise bestimmten Lebensabschnitten zugeordnet werden.
Alterstypisches Kopfweh
Zapotoczky: "Während im Kindes- und Jugendalter der psychogene Kopfschmerz, posttraumatische Schmerzen oder durch Tumoren bedingte Kopfschmerzen im Vordergrund stehen, leiden Erwachsene häufig unter Migräne, Spannungs- oder Cluster-Kopfschmerzen." Bei Menschen über 65 kommen Veränderungen der Halswirbelsäule als häufige Ursache hinzu.
Typischerweise manifestieren sich Kopfschmerzen oft in bestimmten Situationen. Klassische Beispiele sind der sogenannte Wochenend-Entspannungs-Kopfschmerz oder die Wetterfühligkeit. Nicht selten treten Kopfschmerzen im Rahmen depressiver Erkrankungen auf, was auf den bei Depressiven nachweislich veränderten Tonus der Muskulatur im Nacken- und Lumbalbereich zurückgeführt werden kann. Insgesamt treten bei etwa ein Viertel aller Kopfschmerzpatienten depressive Kriterien auf, mit zahlenmäßigem Überhang der Frauen.
"Chronische Kopfschmerzen lassen sich aber keinesfalls bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen zuordnen; den typischen Schmerzpatienten gibt es nicht, chronisch Schmerzkranke stellen demnach keine homogene Gruppe dar", betonte Zapotoczky. "Wohl aber gibt es charakteristische Verhaltensweisen im Umgang mit dem Symptom Schmerz."
Als Beispiel nannte der Psychiater die falsche Wahrnehmung der Symptome durch den Patienten: "Wahrnehmungs-prozesse sind in Richtung subjektiver Symtomaggravation verzerrt. Patienten geben an, den ganzen Tag unter Kopfschmerzen zu leiden oder seit zwei Wochen vollkommen obstipiert zu sein."
Ein ebenfalls häufig anzutreffendes Muster ist der sekundäre Krankheitsgewinn. Aus früheren persönlichen Erfahrungen wird abgeleitet, daß Schmerzen als Bewältigungsstrategie für Probleme zur Verfügung stehen.
Dieses Verhalten kann schon in der Kindheit erlernt werden und sich später wieder einstellen. Der Patient erhält hier einerseits die Möglichkeit, belastenden Situationen auszuweichen, zum anderen gewinnt er die erhöhte Aufmerksamkeit seiner Umgebung.
Diese Verhaltensweisen sollten im Gespräch mit dem Patienten berücksichtigt werden. "So wird der Patient, der angegeben hat, den ganzen Tag unter Kopfschmerzen zu leiden, nach Situationen gefragt, in denen die Schmerzen nicht vorhanden sind und so der Wahrnehmungsprozeß korrigiert. Konkrete Fragen nach dem Krankheitsgewinn machen dem Patienten den Schmerz als Bewältigungsmuster deutlich", so Zapotoczky.
Begleittherapie
Nicht selten münden chronische Schmerzen in sekundäre Folgeerscheinungen. Zapotoczky: "Bei acht Prozent aller Kopfschmerzpatienten - besonders im höheren Lebensalter - ist ein 'stiller Abusus' zu beobachten." Der chronische Gebrauch von Analgetika, Ergotamin, Tranquilizern oder Alkohol führt zu Nierenschädigungen, Polyneuropathien, Leberschäden oder - wie im Falle des Ergotamins - zu peripheren Durchblutungsstörungen.
Als therapeutischen Ansatz nannte Zapotoczky nach Ausschluß von Primärerkrankungen das psychotherapeutische Gespräch, Entspannungsmethoden und eine kognitive Umstrukturierung.
"Auch wenn der Kopfschmerz unabänderlich vorhanden ist, kann durch ein Wahrnehmungstraining die ständige Beschäftigung mit dem Symptom beendet werden. Durch das Vermitteln von Empathie, Wärme und Authentizität kann der Therapeut dem Patienten helfen, einen neuen Umgang mit der Störung zu erlernen und sich nicht mehr von ihr beherrschen zu lassen."
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