Für die Schmerzlinderung in besonders sensiblen Lebensabschnitten liegen wenige Evidenz-basierte Daten vor. Dr. Etzel Gysling, niedergelassener Internist und klinischer Pharmakologe in der Schweiz, fasste den aktuellen Wissensstand zusammen.
Früher galt bei Säuglingen und Kleinkindern eine Schmerzinterpretation als schwierig. Heute weiß man, dass auch Neugeborene einschätzbare Schmerzen empfinden. "Daher gibt es keine Gründe, weshalb nicht auch in diesem Alter eine wirksame analgetische Therapie notwendig wäre", schlussfolgerte Gysling. Dabei sei die Wirkung nicht-pharmakologischer Hilfen nicht zu unterschätzen.
Er hob die Effizienz von positiver Verstärkung, Ablenkung, Hypnotherapie, Massage, Akupunktur und Entspannung hervor. Erstaunlich effektiv wirke gelegentlich auch ein Esslöffel Glukose (30%) oral.
Als wirksam und sinnvoll erachtet Gysling für Säuglinge und Kleinkinder folgende Medikationen: Hautapplikation von Lokal-anästhetika (z.B. EMLA), lokale oder regionale Anästhesie, Paracetamol, Morphin oder Methadon. Bei Neugeborenen stellen Opiate ein hohes Risiko dar, bedingt v.a. durch die Immaturität des ZNS und die lange Halbwertszeit von Morphin beim Baby. Schmerzmittel, die bei Säuglingen besser vermieden werden, sind laut Gysling Acetylsalicylsäure wegen der Gefahr eines Reye-Syndroms sowie nicht-steroidale Entzündungshemmer (NSAR).
Schwangerschaft und Stillperiode
"Das Risiko von teratogenen Effekten ist bei den gebräuchlichen Schmerzmitteln wahrscheinlich sehr gering", erklärte Gysling. Dies ist für Frauen umso beruhigender, als gerade in der Schwangerschaft Schmerzprobleme sehr häufig auftreten. Bei Rückenschmerzen plädiert Gysling zuallererst für nicht-medikamentöse Therapien, wie z.B. Physiotherapien. "Bei Bedarf ist auch die lokale Applikation von nicht-steroidalen Entzündungshemmern sowie der kurzfristige Einsatz oraler Schmerzmittel oder Entzündungshemmer erlaubt."
Die lokale NSAR-Applikation hat nur etwa ein Zehntel des Plasmaspiegels einer Oralverabreichung zur Folge. Gegen Migräneanfälle empfiehlt der Experte in erster Linie Paracetamol, eventuell auch Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen. Zu vermeiden sind Ergot-Derivate und Triptane wegen der Gefahr vorzeitiger Wehen. Als Prophylaxe kann - nur wenn unbedingt indiziert - Propranolol verabreicht werden. Morphine haben in der Schwangerschaft eine gute Wirkung, wie Gysling betonte.
"Zu beachten ist lediglich die Suchtgefahr für das Ungeborene. Wegen der möglichen Beeinträchtigung des Kindes ist der Einsatz von Morphin auch kurz vor und während der Geburt umstritten."
Auch stillende Frauen dürfen bei Schmerzen auf Abhilfe hoffen. Zwar gelangen praktisch alle Arzneimittel in mehr oder weniger hoher Konzentration in die Muttermilch.
"Allerdings erreichen Schmerzmittel in der Regel keine sehr hohen Spiegel in der Milch", betonte Gysling. So etwa gelangt weniger als ein Prozent einer Dosis Morphin in die Milch.
Alte Patienten
Die Schmerztherapie im Alter ist tagtäglich eine neue Herausforderung in der Hausarztpraxis. Probleme sind vor allem durch die Komplexizität der Schmerzzustände bedingt, aber auch durch die Abnahme von Nierenfunktion und Verträglichkeit, v.a. im Magen.
Generell ist im Alter mit deutlich höheren Schmerzmittelspiegeln zu rechnen. Als allgemeingültige Regel kann daher gelten: Start low and go slow. Grundsätzlich warnte Gysling vor Magenproblemen infolge von Entzündungshemmern. Inwieweit neue selektivere NSAR langfristig Vorteile bringen könnten, wagte Gysling aufgrund der relativ kurzen Laufzeit bisher durchgeführter Studien noch nicht zu beurteilen.
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