Die gängige Theorie, daß Genmutationen bei Zellen ein unkontrolliertes Wachstum hervorrufen, wird durch einen Forscher der Universität von Kalifornien, Berkeley in Frage gestellt. Der Molekularbiologe Peter Duesberg behauptet, daß nicht Mutationen die Ursache für Krebs sei, sondern eine abnormale Anzahl an Chromosomen (hauptsächlich durch die Verdopplung von einem oder mehreren Chromosomen) in einer Zelle
Aneuploidie, wie diese Art der chromosomalen Abweichung genannt wird, kann bei fast jedem festen Krebs nachgewiesen werden, galt jedoch immer als eine Nebenwirkung des Krebsgeschehens und nicht als dessen Ursache.
Krebsentstehung nicht durch Mutation
In einem Artikel im aktuellen „Proceedings of the National Academy of Sciences“ argumentieren der Molekularbiologe Peter Duesberg und seine Kollegen von der Universität Berkley, daß Aneuploidie die Hauptursache von Krebs sei und viele Aspekte des Krebsgeschehens erkläre, was durch die Theorie der Genmutationen nicht gelinge. Sollte Duesberg Recht haben, stürzt er eine Theorie, die in den letzten 15 Jahren Forschung, Diagnose und Prävention bestimmt hat.
"Statt nach Veränderungen in biopsierten Zellen zu suchen sollten wir nach Aneuploidie als Anzeichen des frühen Krebses suchen" meint Duesberg. Ein Team von Ärzten der Universität Californien, San Francisco überprüft dies nun anhand chromosomaler Anomalien der Hautzellen zur Bestimmung von Melanomen.
Argumente gegen die Mutationstheorie
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Eines der Probleme der Mutationstheorie sei, daß "es bis heute niemandem gelungen ist, eine normale Zelle durch Implantation eines mutierten Gens in eine Krebszelle zu verwandeln," was laut Duesberg ein definitiver Beweis wäre, daß Krebs durch Mutationen entstehe.
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Auch eine Arbeit, die letztes Jahr vom Wissenschafter Robert Weinberg in „Nature“ veröffentlicht wurde, in der Weinberg meint, genau diesen Beweis erbracht zu haben, hält Duesberg für nicht schlüssig. Er hatte Proben der Zellen untersucht und festgestellt, daß in diesen ebenfalls Aneuploidie vorlag. „Der Grund könnte gleichermaßen die Aneuploidie wie die Mutation der Gene sein“, erklärt er.
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Ein weiteres Argument gegen die Mutationstheorie sei, so Duesberg, daß fast die Hälfte der kanzerogenen Chemikalien keine Mutationen hervorzurufen scheinen. Asbest, Arsen, manche Hormone, Uretane, Nickel und Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe sind als Krebsauslöser bekannt – keines davon sei jedoch ein Mutagen.
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„Wie also lösen sie Krebs aus?“ fragt Duesberg und argumentiert weiter, daß im Falle, daß Krebs durch Mutationen ausgelöst würde, dieser sofort nach Aauftreten der Veränderungen auftreten müßte. Stattdessen tritt Krebs Jahrzehnte nach der Exposition eines Karzinogens auf.
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„Eines der Kennzeichen von Krebs ist die lange Latenzzeit. Wissenschafter argumentieren, daß dies daran liegt, daß Krebs ein mehrstufiges, epigenetisches Phänomen sei – aber dies beschreibt exakt die Aneuplodie.“
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Ein wichtiges Argument zugunsten der Aneuploidie ist laut Duesberg auch, daß die Schädigung der Zelle durch zu viele Kopien eines ganzen Chromosoms größer ist als es von einigen mutierten Genen zu erwarten sei und daß derartig viele Zellprozesse gestört sind, wie bei Krebs, sei bedeutend wahrscheinlicher.
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„Was löst eher Krebs aus: Die 100 Gene, die durch eine Aneuploidie gestört sind, oder die paar, die durch Mutationen gestört sind?“ fragen Duesberg und sein Kollege David Rasnick.
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Experimentelle Untersuchungen von Rasnick und Duesberg zeigten, daß Krebszellen eine große Zahl von Proteinen über- oder unterproduzierten. Sie fanden tausende Proteine, deren Produktion in Krebszellen verdoppelt war.
„Es ist nicht eine kleine Anzahl von Genen, die zu einer stark erhöhten Produktion führt sondern eine große Zahl mit einer gering erhöhten Produktion, die eine normale Zelle zu einer Krebszelle werden lassen.“ erklärt Rasnick.
Die Schäden, die ein Chromosom zuviel hervorrufen kann, sind auch beim Down-Syndrom zu beobachten: Dies wird aufgrund der Tatsache, daß das Chromosom 21 nicht nur zwei- sondern dreimal vorkommt, auch Trisomie 21 genannt. Die Erkrankung führt zu Entwicklungsstörungen, Retardierung, Sterilität und einer durchschnillichen Lebenserwartung von 30 Jahren, auch ist das Leukämierisiko um 100% erhöht.
„Die Chromosomenstörungen durch Aneuploidie nehmen in späteren Zellgenerationen zu. Die meisten dieser Zellen sterben jedoch ab. Fallweise aber entstehen Zellen, die überlebensfähiger sind als die Norm so zu Krebszellen werden. Dies erklärt die langsame Entwicklung der meisten Krebsarten.“ erklärt Duesberg. „Auch die Entstehung neuer Arten basiert auf einer Variation der Chromosomen“ fügt er hinzu.
Neue alte Theorie
Duesberg und seine Kollegen führten verschiedene Experimente durch, die seine Theorie unterstüzen. Darunter sind Tests mit nichtmutagenen Karzinogenen, die zeigten, daß die meisten davon zu Aneuploidie führten ohne genetische Mutationen hervorzurufen.
“Die Theorie ist nicht neu, sie wurde vielmehr zu schnell verworfen,“ schließt Duesberg mit Hinweis darauf, daß bereits vor 50 Jahren Wissenschafter Aneuploidie als Auslöser von Krebs vermuteten.
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