Ob diese Wunden jemals heilen, ist ungewiss: Auch die Kinder von Holocaust-Überlebenden zeigen extreme seelische Not in Stress- und Traumasituationen. Eine neue Studie aus den USA untersucht die Rahmenbedingungen dieses Leidensdruckes.
Die in der Juni-Ausgabe des Journals "American Journal of Psychiatry" veröffentlichte Studie der Wissenschafter um Studienautorin Dr. Lea Baider vom Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York City fokussierte die Zusammenhänge zwischen Familiengeschichte, sozialem Umfeld und psychopathologischen Vorfällen.
Dazu baten die Forscher 208 Brustkrebspatientinnen zu strukturierten Interviews: 106 der Frauen waren Töchter von Holocaust-Überlebenden, alle 208 Frauen hatten einen vergleichbaren sozialen Background. Die Auswertung ergab, daß alle Frauen vom medizinischen Standpunkt ähnlich mit ihrer Krankheit umgingen, jedoch in 2 Aspkten vollkommen unterschiedliche Reaktionen zeigten:
Während die Vergleichsgruppe verhältnismäßig moderaten Leidensdruck empfand, wiesen die Frauen aus Holocaust-belasteten Familien starke bis extreme Symptome seelischer Not auf - Depression, Ängste, Feindseligkeit und Psychosen. Unter diesen Frauen litten vor allem die Verheirateten und jene, deren Mütter noch lebten, unter starken psychopathologischen Belastungen.
"Möglicherweise werden in diesen Fällen unverarbeitete seelische Traumata immer wieder und durch alle Emotionen bewußt gemacht und zusätzliche emotionelle Belastungen daher als wesentlich dramatischere Beeinträchtigung erlebt", versucht Baider sich in die Lage dieser Frauen zu versetzen: "Hier helfen etwa induzierte positive Emotionen keineswegs bei der Problembewältigung - ganz im Gegenteil führen sie zu noch heftigeren Abwehrreaktionen".
© medizin.at