Forum of European Neuroscience:
Infektionen während der Geburt können bei frühgeborenen Kindern vermutlich Hirnschäden hervorrufen. PD Dr. Berger, leitender Oberarzt der Universitätsfrauenklinik des Knappschaftskrankenhauses in Bochum gewann diese Erkenntnis aus experimentellen Untersuchungen.
Seine Arbeit soll helfen, Hirnschäden durch solche Infektionen zu vermeiden oder
bereits eingetretene Schäden möglichst gering zu halten. Für seine
Forschungen wurde er nun mit dem Wissenschaftspreis der Deutschen
Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe ausgezeichnet.
Jedes Jahr erleiden etwa 1000 Kinder in Deutschland während oder
unmittelbar nach der Geburt einen Hirnschaden. Obwohl die Kinder und
ihre Familien oft ein Leben lang unter den Folgen leiden, hat die
Medizin bisher nur unzureichende Kenntnisse über die Ursachen und vor
allem die erfolgreiche Behandlung solcher Schäden gewonnen. Hier setzten
die Forscher an: Ziel ist die Entwicklung therapeutischer Strategien,
die das kindliche Gehirn vor Schäden bewahren sollen.
Zunächst gelangten die Mediziner zu einer Unterscheidung möglicher
Formen der Hirnschädigung: Neben der schwersten Ausprägung, die eine
Lähmung der Arme und Beine bewirkt, gibt es auch leichtere Formen der
Störung, die dennoch weitreichende Konsequenzen für die motorische und
geistig-seelische Entwicklung der Kinder haben können.
Feinmotorische
Koordinationsstörungen, Störungen der Planung motorischer Handlungen und
Konzentrationsschwächen können die Folge sein. Besonders Störungen der
kindlichen Impulskontrolle können einen schwerwiegenden Einfluss auf das
spätere Leben der Kinder haben:
Im Erwachsenenalter können sie eine
geringere akademische Leistungsfähigkeit, häufige innerfamiliäre
Beziehungsstörungen, Ängste, Depressionen, delinquentes Verhalten,
frühen Drogenmissbrauch, Eheprobleme und Schwierigkeiten in beruflicher
Anpassung hervorrufen. Vorsichtige Schätzungen beziffern die Kosten, die
dadurch pro Geburtenjahrgang für die Solidargemeinschaft entstehen, auf
etwa eine Milliarde DM.
Gerade diese leichteren Formen der Hirnschädigung sind möglicherweise
Folge von Infektionen. Bakterien, die während der Geburt in den
kindlichen Blutkreislauf gelangen, können zwar die Nervenzellen des
Säuglings nicht direkt attackieren; sie beeinträchtigen vielmehr seine
Herzkreislauf-Funktion, was zu einer starken Abnahme der
Nabelschnurdurchblutung führt.
Dadurch wird das Gehirn nicht mehr genügend mit Sauerstoff versorgt, und eine Nervenzellenschädigung ist die unausweichliche Folge. Die Bochumer Forscher hoffen nun, durch rechtzeitiges Erkennen einer Infektion diese fatalen Konsequenzen von den betroffenen Kindern abwenden zu können. Sie konzentrieren ihre Bemühungen darauf, verschiedene zelluläre Vorboten einer Infektion durch molekular-biologische Methoden so früh zu erkennen, dass sie mit Hilfe von Antibiotika den einringenden Keimen zuvorkommen können.
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