Die sogenannte "tiefe Hirnstimulation", entwickelt von Professor Hans-Joachim Freund von der Universität Düsseldorf - hat auch hierzulande die Therapie der Parkinson-Krankheit verbessert, an der etwa 250.000 Menschen leiden. Dafür wurde Freund am 1. Juli mit einem der höchstdotierten Forschungspreise Deutschlands ausgezeichnet.
Die Parkinson-Krankheit ist trotz intensiver Forschung noch immer ein Leiden, dessen eigentliche Ursache ungeklärt ist und für das es bislang noch keine Heilung gibt. Die für die Erkrankung typischen motorischen Störungen beruhen auf einem Mangel des Überträgerstoffs Dopamin im Gehirn.
Verursacht wird dieser Dopamin-Mangel durch das Absterben von dopaminbildenden Nervenzellen in der Substantia nigra im motorischen Zentrum des Mittelhirns. Durch den Dopaminmangel gerät das fein orchestrierte Zusammenspiel der Hirnbotenstoffe aus dem Gleichgewicht. Die klassische medikamentöse Behandlung der Krankheit mit der Dopamin-Vorstufe L-DOPA ist jedoch nur zeitlich begrenzt wirksam. Da die Degeneration der Nervenzellen fortschreitet, nimmt die Wirkung des Arzneimittels ab und es treten Nebenwirkungen auf.
Bei dem von Professor Freund entwickelten Verfahren der "tiefen Hirnstimulation" blockiert eine implantierte Elektrode ("Hirnschrittmacher") mit hochfrequenten elektrischen Reizen die krankhafte elektrische Überaktivität von Nervenzell-Gruppen in den so genannten Basalganglien des Mittel- und Zwischenhirns - und damit das unkontrollierbare Zittern sowie andere Bewegungsstörungen der Patienten.
Früher zerstörten die Neurochirurgen in solchen Fällen die entsprechenden Hirnareale, um deren Fehlfunktion auszuschalten. Doch inzwischen belegen zahlreiche Untersuchungen, dass die Stimulationstechnik eine vergleichbar hohe Erfolgsrate von etwa 85 bis 90 Prozent hat. Vor allem können die Ärzte jederzeit die Stimulation dem Verlauf der Erkrankung anpassen und - falls erforderlich - die Elektrode entfernen.
Bislang haben Hans-Joachim Freund und seine neurochirurgischen Partner mehr als 80 Patienten mit dieser Methode behandelt und haben damit in Deutschland die größte Erfahrung. Inzwischen erprobt das Team Freund/Sturm die Therapie auch bei anderen seltenen Bewegungsstörungen, sogenannten Dystonien. Und am Horizont zeichnet sich auch die Behandlung von bestimmten psychischen und psychiatrischen Leiden, etwa Ess-Störungen ab.
Fortschritte bei der Tiefenstimulation verspricht sich Freund vor allem durch eine Kombination bildgebender Verfahren mit der intraoperativen Messung der Aktivität von Nervenzellen mit Hilfe von Mikroelektroden. "Die bildgebenden Verfahren liefern zwar interessante Einblicke in Prozesse der Großhirnrinde", erklärt Freund, "doch bei tieferen Hirnregionen, dem eigentlichen 'Kampfplatz der Parkinson-Krankheit', sind sie weniger geeignet."
Mit Mikroelektroden können die Ärzte jedoch Änderungen der neuronalen Entladung auch in tieferen Regionen messen. Somit lässt sich eine Brücke zwischen Neurophysiologie und Therapie schlagen. Freund: "Wir können korrigieren, weil wir damit besser wissen, was wir tun."
Brücke zwischen Forschung und Therapie
Inzwischen zeichnet sich eine weitere und möglicherweise sogar ursächliche Behandlungs-option bei Parkinson ab: Die Forscher wollen versuchen, die Zerstörung der Nervenzellen in der Substantia nigra aufzuhalten. Daran ist ein anderer Hirnbotenstoff, das Glutamat, beteiligt. Dieser Neurotransmitter kann Nervenzellen in den programmierten Zelltod (Apopotose) treiben. "Durch Tiefenstimulation", hofft Freund, "könnte die erhöhte Entladungsfrequenz jener Neurone korrigiert werden, die am Ort der Degeneration Glutamat ausschütten."
Zurück zur Rinde
In Zukunft wollen die Forscher die Mikroelektroden-Technik und die Bildgebung auch bei Störungen in der Großhirnrinde (Kortex) kombinieren. "Von Bedeutung könnte dies beispielsweise für die Therapie der Epilepsie sein", hofft Freund. Deshalb ist der Düsseldorfer Neurologe überzeugt, dass der Weg vorgezeichnet ist, nämlich hin zu einer "therapeutischen Neurophysiologie".
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