Ob "Love-handles", Schwimmreifen oder Gössrmuskel: Trotz der Flut der Diätformen, der immensen Auswahl an Büchern mit Tips sowie Rezepten und dem unendlichen Angebot von Diäten zur Gewichtsreduktion in Zeitschriften steigt die Unzufriedenheit über das Körpergewicht.
Folgeerkrankungen durch Übergewicht stellen nur einen Aspekt der Problematik dar, die Unzufriedenheit mit dem eigenen Äußeren ist die treibende Kraft, die bei vielen Menschen den Wunsch weckt, Gewicht zu verlieren. Dabei gibt es ein fast endloses Angebot an unterschiedlichen Diäten, kaum eine Zeitschrift verzichtet auf dieses attraktive Thema, das Käufer anzieht wie ein Magnet.
Diät und Übergewicht - ein Teufelskreis?
Ist diese ständige und extreme Beschäftigung mit dem Essen vielleicht ein Grund für die nicht in den Griff zu bekommenden Gewichtsprobleme? Können wir vielleicht gar nicht mehr ‚normal’ essen? Sven-David Müller, Sprecher des deutschen Instituts für Ernährungsmedizin und Diätetik (DIET) differenziert bei den Ursachen für Übergewicht zwei Bereiche.
Die Entstehung von Übergewicht beruht zum einen auf mangelnder körperlicher
Bewegung und falscher Ernährungsweise. Noch vor 50 Jahren mußten sich Menschen viel mehr bewegen und mehr körperlich arbeiten als heute. Demgegenüber stand ein beschränktes Angebot an Lebensmitteln, sowohl mengenmäßig als auch aus Sicht der Vielfältigkeit der Produkte. Heute ist alles jederzeit verfügbar, die natürliche Einschränkung nicht mehr vorhanden.
Die Ernährung modernen Lebensmustern anpassen
Durch den technischen Fortschritt, der veränderte Arbeitsbedingungen und
Fortbewegungsmöglichkeiten bietet, bewegen sich die Menschen immer weniger. Die genetischen Veranlagungen passen nicht mehr zu den heutigen
Umweltbedingungen. Der Körper ist immer noch auf mehr Bewegung und weniger Essen eingestellt.
Was früher also von den natürlichen Lebensbedingungen geregelt wurde, muß heute durch den Verstand ersetzt werden. Eindeutige und unumstößliche Konsequenz: Wir müssen unser Essverhalten unserer körperlichen Bewegung anpassen, doch allein die Einsicht führt noch nicht zur dauerhaften Verhaltensänderung.
Interessant ist, daß Übergewichtige zu Lebensmitteln greifen, die kaum sättigen, aber dick machen. Dabei kann nur der abnehmen, der nicht hungert, betont die ernährungsmedizinische Leiterin des DIET, Privatdozentin Dr. Christine Metzner. Dafür empfiehlt die Internistin eine ballaststoffreiche Kost und reichlich Flüssigkeitsaufnahme. Vielen Übergewichtigen ist nicht klar, daß nur eine dauerhafte Ernährungsumstellung den gewünschten Gewichtsverlust bringen kann.
Der unnatürliche Waschbrettbauch
Der zweite Aspekt ist im immer stärker werdenden Körperkult zu sehen. Mit 14 Jahren haben über die Hälfte der Mädchen bereits eine Reduktionsdiät ausprobiert. War dieses Streben nach dem idealen Körper nach Vorbild von Models und Musikstars bisher allein Sache der Mädchen, macht es sich inzwischen auch unter der männlichen Jugendlichen breit. Diese streben nach wenig Fett und viel Muskulatur.
Doch der Waschbrettbauch ist unnatürlich, wie man bei Naturvölkern sehen kann. Da der Bauch einfach leichter schwillt als der Bizeps sind Eßstörungen, zu denen auch übersteigerte körperliche Aktivität gehört, sowie der Gebrauch von Dopingmitteln an der Tagesordnung. Der Effekt ist, daß junge Leute ein natürliches Essverhalten durch den ständigen Versuch einem vorgefertigten Bild des idealen Körpers nachzueifern, verlernen.
Weg von Diätwahn und Bilanzterror
Ständiges Kontrollieren und Bilanzieren zerstört den Hunger- und Sättigungsmechanismus Ist es erst mal so weit, daß wir nicht mehr ein Frühstücksei vor uns sehen, sondern nur noch 84 Kilokalorien, dann hat die Störung des Eßverhaltens ernsthaft gefährliche Ausmaße angenommen. Wir müssen weg vom Diätwahn und unrealistischen Träumerein von Model-Figuren und Waschbrettbäuchen hin zu einem Essverhalten und einem Körpergewicht,
mit dem wir uns wohlfühlen und keine Folgekrankheiten drohen, betont Müller.
Ein Body-Mass-Index (Quotienten des Körpergewichts in Kilogramm und dem
Quadrat der Körperlänge in Metern) im Normalbereich (zwischen 19 und 25), ein Eßverhalten, das von Hunger und Sättigung bestimmt wird und nicht von Kalorientabellen, weniger Fett und mehr pflanzliche und ballaststoffreiche Nahrung in unserem Speiseplan. Dieser Zustand wäre ideal.
Er hätte zu Folge, daß wir uns wohlfühlen, körperlich belastbar und ausdauerfähig sind und die Risiken einer Folgeerkrankung wie Krebs, Diabetes, Bluthochdruck und Arteriosklerose auf ein Minimum zurück gehen.
© medizin.at