Ein großer internationaler Erfolg für das Institut für Humangenetik der Universität Gießen: Die Identifikation des genetischen Defekts einer familiären Tumorerkrankung des Nervensystems, den sog. hereditären Paragangliomen wurde in der aktuellen Ausgabe des allerhöchst rennommierten Journals "Nature Genetics" veröffentlicht.
Die untersuchte Tumorart, eine autosomal dominant vererbte Variante des Paraganglioms (paraganglioma, type 3; PGL3) - auch als Glomustumoren oder Chemodektome bezeichnet - zeigt sich in der Regel als gutartige und , langsam wachsende Tumoren des parasympathischen Nervengewebes im Kopf- und Halsbereich, insbesonders Halsschlagader, Mittelohr und Schädelbasis. Ist auch die maligne Entartung der typisch im Erwachsenenalter auftretenden Paragangliomen selten, müssen die Tumore bei auftretenden Lähmungen der Hirnnerven oder Hörstörungen chirurgisch entfernt werden. Meist sporadisch auftretend, werden über 10% - familiär gehäuft - autosomal dominant vererbt.
Bisher kennt man die chromosomale Lokalisation von drei autosomal dominant vererbten Formen des Paraganglioms. Zwei Formen liegen in unterschiedlichen Intervallen auf Chromosom 11 (PGL1 und 2), der dritte Genort (PGL3) wurde nun von dem Gießener Team als dem Chromosom 1 zugeordnet beschrieben. Mittels eines sogenannten funktionellen Klonierungsansatzes konnte das für die Tumorentstehung verantwortliche Gen - SDHC - bei PGL3 identifiziert werden.
Das Auftreten sporadische Paragangliome wird mit permanentem exogenen Sauerstoffmangel assoziiert: Lebensräume in großer Höhe, aber auch chronisch obstruktive Lungenerkrankungen führen bei der nun beschriebenen genetischen Tumorvariante offenbar zur Ausbildung eines Paraganglioms.
Der mögliche Grund: SDHC spielt bei der "Zellatmung", also der Energiegewinnung in den Mitochondrien der Zelle eine wichtige Rolle - mutieren beide Kopien des Gens etwa durch Reduktion der Zellatmung, wird eine Tumorentstehung ermöglicht.
Der genaue Mechanismus der Tumorentstehung, der bisher noch nicht aufgeklärt ist, ist Gegenstand intensiver Forschungsbemühungen. Ein Gentest hingegen kann nun künftig Auskunft über ein potentiell vorhandenes Erkrankungsrisiko geben.
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