Lehrstück zum Wettlauf der Wissenschaft: Wie wir schon am 22.1. dieses Jahres berichteten, konnte eine Bostoner Forschergruppe spezifische Cortex-Aktivitäten der rechten Hemisphäre in einer Studie dem "Selbsterkenntnis"-Vermögen zuordnen. Nun ist auch eine deutsch-englische Forschungsgruppe dieser Erkenntnis erfolgreich auf der Spur...
Wissenschaftler der Universitäten aus dem deutschen Tübing sowie den britischen Eliteinstituten Cambridge, Oxford und London entdecken die für das Selbst-Bewusstsein verantwortlichen Hirnregionen. Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen http://www.medizin.at/news/pubartikel.asp?id=2799 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse in der neuesten Ausgabe des Journals "Cognition".
Die Fähigkeit, über sich selbst und seine Wahrnehmungen zu reflektieren, zählt zu den höchsten kognitiven Eigenschaften. Bereits in den 70er Jahren entwickelten G. Gallup und B. Amsterdam einen Test, der das reflexive Selbst-Bewußtsein mittels eines Spiegels mißt. So sind Kinder ab dem 18. Lebensmonat und erwachsene Schimpansen in der Lage, sich selbst in dem Spiegelbild zu erkennen. Dieses Erkennen wird mit dem Selbst-Bewußtsein assoziiert.
Bei Versuchen der Wissenschafter an gesunden Männern wurde die neuronale Aktivität mittels funktioneller Kernspintomographie gemessen. Den Probanden
wurden Photos ihres eigenen Gesichtes sowie von Partnern gezeigt. Die Photos der Partner dienten dazu, die emotionale Reaktion auf bekannte Gesichter kontrolliern. Weiters wurde den Probanden Photos von fremden Menschen gezeigt.
Bei der Betrachtung des eigenen Gesichtes zeigte sich eine Aktivität des rechtshemisphärischen limbischen Systems und des linken Frontallappens. Bei der Betrachtung der Partner kam es zu einer Aktivität in einem kleinen Arreal der rechten Gehirnhälfte.
Die Forscher bezeichnen den Unterschied der neuronalen Verarbeitung des eigenen Gesichts im Vergleich zum Gesicht eines Partners als dramatisch. Diese Ergebnisse könntne völlig neue Möglichkeiten in der Erforschung von Krankheiten wie Schizophrenie bieten, bei denen es zu einer grundlegenden Störung des Selbst-Bewußtseins kommt.
Der an der Selbsterkennung beteiligte Frontallappen ist ein stammesgeschichtlich gesehen sehr junges Arreal, während das beteiligte limbische System sehr alt ist. Die Forscher vermuten, daß der Frontallappen mit der Fähigkeit zur Selbstreflektion in Zusammenhang steht, während das limbische System mit dem diffusen Gefühl des "Selbst" oder "Ich" zusammenhängt.
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