Ein neuer interdisziplinärer Ansatz ermöglicht es nun, Proteine bei der Arbeit zu beobachten. Der Biophysiker Prof. Gerwert von der Ruhr-Universität Bochum nutzt statt der Röntgenstrukturanalyse die FTIR-Differenzspektroskopie und kann so in Proteinen ablaufende Prozesse in Echtzeit mit atomarer Auflösung beobachten.
Die Anwendung der Methode am Photorezeptorprotein Photo Active Yellow proteine (PYP) wird in der März-Ausgabe von "NATURE Structural Biology" beschrieben. Ein "News and Views"-Kommentar zu dem Artikel, der im gleichen Heft erscheinen ist, hebt die Innovation dieses Ansatzes für poststrukturelle Untersuchungen hervor.
Proteine als Nanomaschinen
Proteine sind vielseitige Nanomaschinen, die auf kleinstem Raum Arbeit leisten oder Stoffwechselvorgänge regeln. Forscher versuchen, Proteine, die in bestimmten physiologischen Vorgängen - z. B. bei der Krebsentstehung - die zentrale Rolle spielen, mithilfe des so genannten "Proteomic"-Ansatzes zu identifizieren.
Ist ein Protein identifiziert, geht es darum, seine dreidimensionale Struktur zu entschlüsseln, die durch die Sequenz der Aminosäuren gekennzeichnet ist. Die Struktur bestimmt die Funktion des Proteins, eine falsch gefaltete Struktur kann fatale Folgen haben und Krankheiten auslösen. So nimmt man heute an, daß falsch gefaltete Prionen-Proteinen bei der Entstehung von BSE bzw. der Creutzfeld-Jacob-Krankheit eine wichtige Rolle spielen.
Eingefrorenes Bild mit der Röntgenstrukturanalyse
Bisher wurde zur Bestimmung von Proteinstrukturen meist die Röntgenstrukturanalyse eingesetzt. Die Funktion der Proteine und zeitlich abgestimmten Interaktionen kann diese Methode in der Regel nicht zeigen. Bei Messzeiten von mehreren Stunden liefert sie ein Bild des eingefrorenen Grundzustands des Proteins. Um auch die Dynamik während der Aktion ansehen zu können, werden also neue Methoden benötigt. In speziellen Fällen konnten neuerdings auch 3D-Strukturen einzelner Zwischenstufen bestimmt werden.
Lichtempfindliche Proteine
Gerwert und seine Mitarbeiter entwickelten eine Methode weiter, die zeitaufgelöste FTIR-Differenzspektroskopie, die von ihnen Ende der 80er-Jahre zum ersten Mal eingesetzt wurde. Sie ermöglichte zu verstehen, wie das Membranprotein Bakteriorhodopsin Protonen pumpt. Als Untersuchungsgegenstand dient jetzt ein Photorezeptor.
Photorezeptorproteine enthalten eine chromophore Gruppe, die Licht im sichtbaren Spektralbereich absorbiert. Nach der Anregung durch das Licht durchläuft diese Gruppe eine Isomerisierung. Sie überträgt die Lichtanregung auf das Protein und löst so dessen Funktion aus. Im Fall von PYP handelt es sich um die Bindung eines weiteren Proteins, das das Signal in der Zelle weiterleitet.
Das Bakterium regelt so sein Verhalten zum Licht: Es schwimmt zu energieliefernden Lichtquellen hin oder es meidet gefährliches UV-Licht. Auch das menschliche Auge enthält einen solchen Photorezeptor, das Rhodopsin.
© medizin.at