Einige der für die Forschung interessanten Inhaltsstoffe des Fliegenpilzes lassen sich jetzt mit einem neuen Verfahren im Labor gewinnen, das von Chemikern der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg entwicklet wurde.
Diese Technik birgt aber noch viele andere Möglichkeiten und macht den Einsatz von giftigen Schwermetallen für vergleichbare Verfahren überflüssig. Der Erfolg beruht auf dem gezielten Einsatz von Radikalen, äußerst reaktionsfreudigen Molekülbruchstücken, die aufgrund ihrer extremen Kurzlebigkeit nur schwer zu handhaben sind.
Mit der neuen Methode können die Forscher unter einfachen Bedingungen hoch reaktive Sauerstoff-Radikale erzeugen: Die Forscher entwarfen Moleküle mit einer speziellen Sollbruchstelle, die beim Erwärmen auf 80°C oder durch Bestrahlung mit langwelligem UV-Licht Radikale freisetzen. Um an derartige Radikale zu gelangen, mußten Chemiker bislang meistens giftige Schwermetallsalze einsetzen - eine Vorgehensweise, die nun sehr bald der Vergangenheit angehören könnte.
Die Forscher um Dr. Hartung haben die hohe Reaktivität der Sauerstoff-Radikale erstmals genutzt, um wichtige Inhaltsstoffe des Fliegenpilzes, so genannte Muscarin-Alkaloide, herzustellen. Bislang existierten nur für zwei der vier natürlich vorkommenden Muscarin-Alkaloide gut entwickelte Synthese-Verfahren. Diese Stoffe werden in der Forschung zum Beispiel verwendet, um bestimmte Vorgänge
im Nervensystem zu untersuchen.
Die Arbeiten der Würzburger Chemiker sind besonders interessant, da auch der Luftsauerstoff zur Gruppe der Sauerstoff-Radikale gehört und weil dieser in der Lage ist, im Organismus weitere aggressive Radikale hervorzubringen, die mit verschiedenen Krankheiten und mit den molekularen Mechanismen der Alterung in Verbindung gebracht werden.
Nur durch weitere Forschungen werde man die Risiken, aber auch die Möglichkeiten und Perspektiven einschätzen können, welche in den Sauerstoff-Radikalen stecken, so Hartung.
Die Herausforderung für die Zukunft: Erstens sollten Prinzipien
erkannt werden, um biochemisch bedeutsame Reaktionen von Radikalen im
Labor zu simulieren und dadurch besser zu verstehen. Zweitens hofft
die Arbeitsgruppe von Hartung, mit ihrer neu entwickelten Methode neue
Wege für die Wirkstofforschung aufzudecken, die mit den etablierten
Verfahren verschlossen bleiben. Kurzum: Die Forscher wollen Ansätze
finden, um den Nachteil der hohen Reaktivität von Sauerstoff-Radikalen
in einen Vorteil umzuwandeln.
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