Bei einer Krebserkrankung kann es dazu kommen, daß sich Tochtergeschwülste fernab vom Primärtumor bilden. Diese Tochtergeschwülste (Metastasen) entstehen, wenn sich Krebszellen vom
Primärtumor ablösen und mit dem Blutstrom durch den Körper transportiert werden. Dafür ist ein bestimmter Einweißstoff vonnöten...
Die Tumorzellen heften sich dann an die Gefäßwände an und können in das darunterliegende Gewebe einwandern. Forscher des deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg konnten unter der Leitung von Prof. Dr. Altevogt zeigen, daß ein bestimmter Eiweißstoff auf der Oberfläche der wandernden Krebszellen für diesen Vorgang unerlässlich ist.
Der Nachweis dieses Proteins könnte den Medizinern helfen, das
Metastasen-Potenzial eines Tumors besser einschätzen zu können. Zudem
wäre vorstellbar, daß die Blockade des Eiweißes die Metastasenbildung
verhindert. Die Forschergruppe wird von der deutschen Krebshilfe
unterstützt.
Im menschlichen Körper haben alle Zellen einen festen Platz, nur die
weißen Blutkörperchen (Leukozyten) können sich auf der Suche nach
mikrobiellen Eindringlingen und schadhaftem Gewebe durch den ganzen
Körper bewegen. Die Wechselwirkung mit den Zellen der Gefäßwänden wird
wird durch einen bestimmten Eiweißstoff ermöglicht. Diese Interaktion
bildet den Anfang einer Ereignis-Kette, die mit der Einwanderung der
weißen Blutkörperchen in das darunterliegende Gewebe endet.
Doch auch Krebszellen können wandern. Nachdem sich die Tumorzellen aus
ihrem Gewebeverband gelöst haben, können sie Gefäßwände durchqueren um
mit dem Blutstrom an entfernte Stellen im Körper zu gelangen. Dort
interagiert ein für bestimmte Tumorzellen charakteristisches
Oberflächen-Protein (CD24) mit Eiweißstoffen auf den Gefäßwänden. Die
Wechselwirkungen zwischen dem Krebszell-Protein CD24 und den so
genannten Selektinen auf den Gefäßwänden haben zur Folge, daß sich
Tumorzellen an die Wand von Blut- oder Lymphgefäßen heften. Dieser
Schritt bereitet das Übertreten der Zellen durch die Gefäßwände in das
Körpergewebe vor, wo dann eine Tochtergeschwulst gebildet werden kann.
"Der Selektin/CD24-Bindungsweg scheint bedeutsam für die
Tumormetastasierung zu sein. Eventuell eignet sich der Nachweis von
CD24 als Marker für ein erhöhtes Metastasen-Risiko. Außerdem könnten
unsere Untersuchungen die Grundlage für neue Behandlungsansätze
liefern. So wäre vorstellbar, daß eine Blockade der Interaktion
zwischen CD24 und Selektin die Metastasenbildung unmöglich macht",
erklärt Altevogt.
Nur weniger als eine von 10.000 Tumorzellen schafft es auf ihrem Weg
durch den Körper alle Barrieren zu überwinden und eine neue
Zellkolonie zu gründen. Bestimmte Eigenschaften helfen den bösartigen
Zellen bei dieser Wanderschaft: Krebszellen "kleben" im Vergleich zu
normalen Zellen nicht so gut aneinander und können sich daher leicht
von dem bestehenden Tumorgewebe lösen. Zudem sind bei ihnen diejenigen
Mechanismen ausgeschaltet, die Zellen außerhalb ihres Verbandes
normalerweise in den Selbstmord treiben würden. Beim Durchtritt durch
die Gefäßwände in den Blutstrom kommt den Krebszellen ihre besondere
Proteinausstattung zu Gute: Bestimmte Enzyme können die eigentlich
unüberwindlichen Barrieren auflösen. Als blinde Passagiere
transportiert der Kreislauf die Tumorzellen dann zur Zielstelle. Meist
ist dies die Lunge, in deren feinen Kapillaren die großen Zellen
stecken bleiben. Manche Tumorzellen tragen aber auch Eiweißstoffe auf
ihrer Oberfläche, die mit Proteinen auf Gefäßwänden wechselwirken
können. Die Krebszelle krallt sich an einer bestimmten Stelle im
Körperkreislauf fest. Enzyme helfen den Krebszellen von dort in das
darunterliegende Gewebe einzuwandern, um eine neue Zellkolonie zu
gründen.
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