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Auf dem Weg zu maßgeschneiderten Medikamenten

25.04.2001

Bis vor kurzem konnten Arzneimittel nur nach Kriterien wie Gewicht oder Nieren- und Leberfunktion dosiert werden. Mehr und mehr finden Pharmakologen aber Möglichkeiten, die Behandlung dem Patienten individuell anzupassen.

Ausschlaggebend dafür ist die Erkenntnis, daß die individuelle Erbgut-Ausstattung auch bestimmt, wie der Organismus Arzneistoffe verarbeitet. Diese Forschungsbereiche nennen sich "Pharmakogenetik" und "Pharmakogenomik". Das Universitätsklinikums Benjamin Franklin (UKBF) der Freien Universität Berlin beschäftigt sich gezielt mit der Erforschung von pharmakogenetischen Grundlagen der Therapie.

Daß Menschen Medikamente unterschiedlich metabolisieren hängt mit ihren erblichen Anlagen zusammen. Diese Erkenntnis wird im Hinblick auf die Pharmakotherapie im recht neuen Gebiet der Pharmakogenetik umgesetzt. Es beschäftigt sich vor allem mit dem Metabolismus von Arzneisubstanzen (was macht der Organismus mit dem Medikament - im Gegensatz zur Pharmakodynamik, die fragt: was macht das Medikament mit dem Organismus.)

Während sich die Pharmakogenetik auf bestimmte Gene bezieht, umfaßt die Pharmakogenomik die Gesamtheit aller unterschiedlichen Abfolgen in den Genen. Die Sequenzierung des menschlichen Genoms wurde erst kürzlich veröffentlicht und besteht demnach aus 40.000-50.000 verschiedenen Genen, jedes Gen ist für die Bildung eines bestimmten Gen-Produktes verantwortlich.

Mittlerweile lassen sich bestimmte Gensequenzen definierten Regionen auf Chromosomen zuordnen und in einer Population miteinander vergleichen. So läßt sich auch feststellen, daß und wie unterschiedliche Sequenzabfolgen (Polymorphismen) einen Einfluß auf individuelle Unterschiede bei der Reaktion auf Medikamente haben.

Die präzisere Kenntnis der Gensequenzen hat also einen praktischen Nutzen für die klinische Pharmakologie und für die industrielle Pharmaforschung, denn die genetischen Polymorphismen können unter anderem den Abbau oder den Angriffspunkt eines Medikaments beeinflussen. Ein Medikament kann schneller oder langsamer metabolisiert werden und damit stärker oder weniger stark wirken, oder keinen praktischen Effekt haben.

So kann es etwa bei einem Krebskranken, der ein Chemotherapeutikum erhält, das bei ihm nur ungenügend oder gar nicht wirkt, zu fatalen Folgen für seine Überlebenszeit komen. Weist der Patient einen Polymorphismus auf, der einen zu raschen Abbau eines Medikaments bewirkt, dann wird er von der Chemotherapie in der üblichen Dosierung kaum profitieren.

Umgekehrt wird ein Patient, der ein Medikament zu langsam metabolisiert, unter ungewöhnlich starken Nebenwirkungen leiden. Hier würde es helfen, das Mittel niedriger zu dosieren - statt es wegen nicht zu verantwortender Nebenwirkungen abzusetzen.

Ähnlich verhält es sich auch bei anderen Krankheiten. Erhält etwa ein Patient, der an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leidet, keine optimale Therapie, wird er vielleicht früher zusätzliche Komplikationen oder einen Herzinfarkt entwickeln als unter einer optimierten Pharmakotherapie.

Diese Beispiele zeigen, daß Patienten von einer Genotypisierung mit dem Ziel der individuelleren Pharmakotherapie profitieren. Eine beachtliche Zahl von Polymorphismen, die zur unterschiedlichen Medikamenten-Verarbeitung führen, ist bereits bekannt, für die meisten existieren auch geeignete Nachweisverfahren. Am Institut für Klinische Pharmakologie und Toxikologie des UKBF werden solche Tests bereits vorgenommen, dazu reichen minimale Mengen an Blut aus.

In einem aktuellen Projekt haben die UKBF-Forscher zusammen mit der Franz-Volhard-Klinik am Max-Delbrück-Centrum einen Gen-Polymorphismus entdeckt, der die Sterblichkeit bei Patienten mit einer bestimmten Form der chronischen Herzinsuffizienz entscheidend beeinflußte. Dieses Gen ist für die Bildung eines Rezeptors auf der Oberfläche bestimmter Zellen verantwortlich (Endothelin-Rezeptor).

Patienten, welche diesen Polymorphismus auf dem Endothelin-Rezeptor-Gen trugen, starben mit einer fünffach höheren Wahrscheinlichkeit innerhalb von zwei Jahren nach der Diagnosestellung als solche, die diese Variante nicht aufwiesen. Das könnte entscheidende Bedeutung für die künftige medikamentöse Therapie haben, insbesondere bei Patienten, die diesen Endothelin-Rezeptor blockieren. Wahrscheinlich benötigen beide Patientengruppen unterschiedliche Therapieansätze.

Die Arbeit wird in Kürze im European Heart Journal erscheinen. Vor kurzem erschienen zudem zwei Artikel über die Behandlung von Patienten mit Herzinsuffizienz, aus denen hervorgeht, daß diese Patienten von einer Therapie mit Endothelin-Rezeptor-Antagonisten erheblich profitierten.

© medizin.at

 

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