Vom 17.-19. Mai findet in Magdeburg ein internationales Symposium statt, auf dem unter anderem über neueste Ergebnisse der Grundlagen von Emotionalverhalten, der Bildung und des Abrufes von
Gedächtnisinhalten sowie der Regulation von Wachen und Schlafen berichtet wird.
Diskutiert werden aktuelle Befunde zu molekularen Mechanismen von Suchterkrankungen, den Konsequenzen sozialer Isolation im frühkindlichen Alter sowie hirnbiologische Grundlagen von Schizophrenien, Angst- und Zwangserkrankungen.
Unsere Reaktionen auf Wahrnehmungen aus der Umgebung und unser Antrieb
hängen stark von "inneren Zustandswerten" ab wie Aufmerksamkeit, Motivation oder Emotion. Doch wie definieren sich diese Zustandswerte und welche Grundlagen besitzen sie?
Wie kommt es zu unerklärlichen Gemütsschwankungen und was ist die neurobiologische Basis von krankhaften Verzerrungen der Wahrnehmung unserer Umwelt und der krankhaften Übersteuerung von Gemütsschwankungen?
Was ist überhaupt Erinnerung, und wie sind emotionale und rationale, bewusste und unbewusste Komponenten der Erinnerung zu differenzieren? Solche Fragen
zu beantworten erweist sich als unerwartet schwierig und die Versuche, sie zu beantworten haben eine Reihe von Theorien hervorgebracht.
Zentrum dieser Theorien ist das "Limbische System" unseres Gehirns: "Die limbischen Schaltkreise unseres Gehirns sind für die Integration von kognitiven Funktionen, Lernen und Gedächtnis mit emotionalen und motivationalen Komponenten in bestimmten Verhaltensreaktionen verantwortlich", erklärt Prof. Pape von der Universität Magdeburg.
Und weiter: "Störungen dieser Schaltkreise machen sich klinisch deshalb häufig durch eine Dissoziation von Kognition und Emotion bemerkbar, weil diese Vermittlerfunktion gestört ist. Angst, Wahn, Zwang aber auch Manie, Affektverflachung, Realitäts- und Gedächtnisstörungen können die Folge sein."
Bei Säugetieren und speziell beim Menschen hat sich das Limbische System zu einem ausgedehnten System von Schaltkreisen des Gehirns entwickelt, das einen umfassenden Einfluss auf die emotionale Bewertung aller Sinneserfahrungen bzw. eine Motivationskontrolle über Verhalten ausübt. Die Hinweise darauf, daß Funktionsstörungen limbischer Strukturen und ihrer Bezugssysteme die pathophysiologische Basis von häufigen Hirnkrankheiten darstellen, haben sich verdichtet.
Mehr als 20% der Bevölkerung erkranken im Verlauf des Lebens an einer behandlungsbedürftigen neurologischen oder psychischen Erkrankung, bei der strukturelle oder funktionelle Beeinträchtigungen des limbischen Systems oder damit in engem Funktionszusammenhang stehender Hirnbereiche nachgewiesen sind oder vermutet werden. Zu diesen Erkrankungen gehören Neurosen (z.B. Angst- oder Zwangskrankheiten), Suchterkrankungen (z.B. Alkoholismus), Schizophrenien, depressive Syndrome, manche Formen von Epilepsie und Hirnabbauerkrankungen wie die Alzheimer´sche Krankheit.
Störungen in einem oder mehreren Teilbereichen des limbischen Systems
liegen fast allen Formen von Gedächtnisstörungen, emotionalen Störungen, psychotischen Syndromen mit Realitätsverlust, Wahnideen und Halluzination zugrunde. Diagnose und Therapie dieser Erkrankungen ist jedoch nach wie vor sehr schwierig.
Mangels grundlegender Kenntnisse über die hirnbiologischen Grundlagen von Emotionalität, Gedächtnis, Wahrnehmungsbewertung und Verhaltenssteuerung wurden bisher vorwiegend versucht, psychische Störungen mit psychodynamischen und verhaltenstheoretischen oder sozialgesellschaftlichen Modellen zu erklären, was erhebliche Probleme in der diagnostischen Einordnung und der Entwicklung wirksamer Therapieverfahren mit sich brachte.
Tatsächlich wurden die klassischen Psychopharmaka mehr oder weniger durch Zufall entdeckt. Entsprechend bleibt die Pharmakotherapie nur zum Teil erfolgreich. Bei der Hälfte der Betroffenen sind nur unzureichende, oft auch überhaupt keine Therapieerfolge zu verzeichnen. Nicht erwünschte Wirkungen von Pharmaka sind alltägliche Probleme. Erst die jüngere Zeit brachte einige gezieltere Entwicklungen.
"Im limbischen System sind molekular-zelluläre Eigenschaften, lokale Organisationsformen, Systemfunktionen, die menschliche Empfindung und das Gedächtnis auf vielfältigste Art miteinander verknüpft", erklärt Pape. Zu deren Erfassung seien interaktive und multidisziplinäre wissenschaftliche Ansätze mit unterschiedlichen Ebenen der Analyse besonders geeignet.
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