In den letzten Jahren kündigten Krankenkassen dem Roten Kreuz die Verträge über die Direktverrechnung immer wieder auf. Fast überall kam es aber im letzten Moment doch zur Einigung. Der "vertragslose Zustand" bedeutet für das Rote Kreuz, dass es beim Patienten kassieren muss.
Unangenehm - aber dafür kann ein kostendeckender Tarif verrechnet werden. Der Patient holt sich seinen Kostenersatz (also nur einen Teil seines Geldes) von der Krankenkasse zurück. Der Patient wäre der Verlierer: Die Differenz zwischen echten Kosten und Kostenersatz müsste er selber bezahlen, obwohl er laufend hohe Versicherungsbeiträge entrichtet. Bleibt die Frage im Raum, weshalb die Leistung der Sozialversicherung "nicht stimmt"?
Mehr Transporte - ein teurer Spaß?
"Die Deckelung": Krankenkassen zahlen nur eine Höchstzahl an Transporten. Zusätzliche Leistungen werden, wenn überhaupt, nur teilweise vergütet: Angenommen, ein Bäcker steht in einem Vertragsverhältnis mit seiner Gemeinde. Er muss täglich 1000 Einwohner mit einer Semmel versorgen und bekommt dafür einen vereinbarten Betrag. Doch an manchen Tagen haben 1100 Personen Hunger. Der Bäcker kann aber, um seinen Auftrag zu erfüllen (er darf keinen Bürger hungern lassen) niemanden die Semmel verwehren. So muss er an diesen Tagen 1100 Semmeln zum Preis von 1000 Semmeln hergeben. Die Mehrkosten, die ihm dabei zusätzlich entstehen, bekommt er nicht ersetzt und belasten sein eigenes Konto.
So ähnlich ist das mit den Rettungs- und Krankentransporten, die von den Ärzten angeordnet und vom Roten Kreuz durchgeführt werden. Die Transporte werden in der Regel von den Krankenkassen bezahlt, bei denen die Patienten versichert sind. Doch in den letzten Jahren haben viele Kassen beschlossen, ihre Beiträge zu "deckeln" und nur mehr einen bestimmten Höchstbetrag zu bezahlen - das Prinzip der sogenannten Deckelung.
Je nach Bundesland wurden verschiedene Regelungen getroffen bzw. - richtig zum Ausdruck gebracht - einseitig von den Kassen diktiert. Diese fixieren zum Beispiel eine Höchstzahl an gefahrenen Kilometern oder durchgeführten Fahrten. Bis zu dieser Höchstzahl werden die Leistungen von den Krankenkassen bezahlt. Zusätzliche Leistungen werden, wenn überhaupt, nur teilweise vergütet. Die übrigen Kosten müssen das Rote Kreuz oder ein anderer Kostenträger übernehmen.
Die Hintergründe
Die Deckelung wird zunehmend zu einer Bedroung für das Rote Kreuz. Die Zahlen aus dem Leistungsbericht 1999 sprechen für sich: 2,2 Millionen durchgeführte Fahrten, ein Plus von 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2 Millionen).
Diese Steigerung hat mehrere Ursachen:
1. Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung:
Spitäler erhalten seit 1998 keine fixen Tagesgebühren als Kostenersatz, sondern festgesetzte Tarife für tatsächlich durchgeführte Behandlungen (Leistungen). Eine Folge davon ist, dass Patienten einerseits schneller entlassen werden, andererseits jedoch öfter zu Nachbehandlungen in das Krankenhaus oder eine Therapiestation bestellt werden. Dies führt zu höheren Transportzahlen, von den Ärzten verordnet und vielfach vom Vertrauensarzt (Kassenarzt) abgesegnet.
2. Hilfsfrist "Just in time":
Es gibt immer mehr kleine Praxen und Therapiestationen, die ihre Patienten pünktlich erwarten. Das heißt, jeder Patient wird zu einer ganz bestimmten Therapiestunde bestellt und soll möglichst knapp vor Beginn angeliefert und sofort nach Beendigung abgeholt werden. In der Regel geht es dabei um Krankentransporte, bei denen keine medizinische Dringlichkeit besteht. Dennoch: Mit Blick auf den Stundenplan ergeben sich Zeitdruck und damit verbunden mehr Transporte, da jeder Patient einzeln befördert werden muss " immer von außen" verordnet.
3. Demografische Entwicklung:
Es gibt immer mehr ältere, allein stehende Menschen, die krank oder pflegebedürftig sind und auf Ambulanz- und Krankentransporte angewiesen sind. Aus diesem Grund allein ist eine Steigerung der Fahrten unvermeidlich.
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Für mehr Leistung erhält das Rote Kreuz nicht mehr Geld. Langfristig ist diese Situation nicht haltbar, da die Spendengelder des Roten Kreuzes nicht ausschließlich zur Verlustabdeckung im Rettungs- und Krankentransport verwendet werden dürfen.
Wären wir kein gemeinnütziges Unternehmen, würden wir die Preise erhöhen oder Leistungen teilweise einstellen. Das ist aber aufgrund der Verträge, die in den meisten Bundesländern gültig sind, nicht möglich. Das Einschränken von Leistungen ist denkbar, hätte aber für viele Patienten schwer wiegende Konsequenzen. Eine baldige und auf Dauer angelegte Lösung ist daher im Interesse aller Beteiligten dringend notwendig.
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