Hunderttausende erblinden jährlich weltweit, etwa die Hälfte davon durch Erkrankungen der Netzhaut. An der Entwicklung technischer Implantate wird intensiv geforscht. Solche Implantate sollen die komplexe Funktion der Netzhaut ersetzen und so das Sehvermögen wiederherstellen.
Die beiden Ansätze der Retinaimplantation (subretinal und epiretinal) werden in der heutigen Ausgabe von Science von Prof. Zrenner, Universitätsklinikum Thübingen, in einer Übrsichtsarbeit diskutiert.
Beim epiretinalen Implantat wird die Information, die mittels Bildverarbeitung von einer externen Kamera stammt, über Elektroden an die Ganglienzellen (Nervenzellen) der Netzhaut von der Glaskörperseite her angekoppelt. Beim subretinalen Ansatz wird die Funktion der zugrundegegangenen Photorezeptoren der Netzhaut durch lichtempfindliche Mikrophotodioden-Arrays (MPDAs) ersetzt. Die Daten werden über Elektroden in der äußeren Netzhaut eingekoppelt, dabei nutzen die Wissenschaftler die Informationsverarbeitung der inneren Netzhaut.
Die dazu notwendigen neuen Operationsverfahren sind bereits entwickelt, Biokompatibilität und Langzeitstabilität der Implantate untersucht.
Mit Hilfe von Funktionsprüfungen wurden im Tierexperiment die prinzipielle Machbarkeit ebenso wie die Verträglichkeit getestet. Weiters wurden auch die entsprechenden Stimulationsparameter beschrieben und technische Verfahren für die Umsetzung des äußeren physikalischen Bildes in ein neuronales Abbild entwickelt. In Schlüsselexperimenten im Tierversuch ließ sich auch die räumliche Auflösung von Bildern auf kortikaler (Kortex = Gehirnrinde) Ebene nachweisen.
Unklar ist jedoch noch, welcher der beiden Ansätze die sicherste Position für eine möglichst geringe Reizstromübermittlung zum Zwecke der neuralen Stimulation ist, welches die optimalen Materialien sind und wie eine Langzeitstabilität der Befestigung von Elektronik und neuronalem Gewebe erreicht werden kann. Ebenso ist offen, ob die für das Implantat notwendigen Ströme unterhalb des Sicherheitsbereichs für eine Langzeitreizung von Nervenzellen liegen. An eine dauerhafte Implantation beim Menschen ist erst dann zu denken, wenn der Nachweis der Langzeitfunktionsfähigkeit erbracht und der eindeutige Nutzen für blinde Patienten nachgewiesen ist.
Erste Nutznießer der technischen Entwicklung dürften Patienten mit erblicher Netzhautdegeneration (RP) sein. Der Sehverlust bei dieser Erkrankung ist gravierend, die mittlere und innere Netzhaut ist intakt, so daß eine Verbesserung der Mobilität durch eine retinale Prothese erwartet werden kann.
Die prinzipielle Machbarkeit der Retinaimplantate konnte im Tierversuch gezeigt werden, der Nachweis des Langzeiterfolgs und einer brauchbaren räumlichen Auflösung beim Menschen steht jedoch bislang aus. Daher ist es nicht sicher, ob die weltweiten Forschungsanstrengungen innerhalb der nächsten Jahre in ein klinisch verfügbares Produkt münden.
Andererseits ist der wissenschaftliche Fortschritt und die technische Entwicklung auf diesem Gebiet atemberaubend schnell, so daß die Hoffnung, in den nächsten Jahren eine brauchbare Retinaprothese zur Verfügung zu haben, nicht unbegründet ist.
Science, 8. Februar 2002,"Will retinal implants restore vision?"
© medizin.at