Vom 14.4. bis zum 18.4.2002 wird Wien das Weltzentrum der Geburtshilfe sein. 3000 Hebammen aus aller Welt versammeln sich zum Erfahrungsaustausch über die Situation der Hebammen und der Geburtshilfe im Wiener Austria Center zum "26. Kongress des Internationalen Hebammenverbandes".
Wie wichtig dieser internationale Erfahrungsaustausch ist, zeigt ein Blick auf die Statistik. Weltweit stirbt jede Minute eine Frau an den Folgen von Schwangerschaft und Geburt, das sind 585.000 Frauen jährlich. Das Risiko einer Frau, während Schwangerschaft und Geburt zu sterben, ist auf dem Globus höchst ungleich verteilt: Es liegt in Nordamerika bei durchschnittlich 1 : 3700, in Europa bei 1 : 4000 und der Schweiz stirbt nur eine Frau von 8700 an Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen. In Afrika enden Schwangerschaft oder Geburt hingegen für jede 16. Frau tödlich.
Auch die Säuglinge haben sehr unterschiedliche Chancen zu überleben, je nach dem, wo sie zur Welt kommen. Jährlich sterben acht Millionen Kinder in der Zeit vor, während oder in der Woche nach der Geburt. Die höchste Kindersterblichkeit verzeichnen Angola (193 von 1000 lebend Geborenen), Afghanistan (147) und Sierra Leone (146). In Schweden liegt die Säuglingssterblichkeit auf dem niedrigen Wert von 3,47 pro 1000 lebend Geborener, in Deutschland 4,4, in Österreich 4,9 und in England 5,5. Das beweist: Eine gute Betreuung während Schwangerschaft und Geburt kann Mutter und Kind vor dem Tod bewahren.
Die in den Entwicklungsländern extrem hohe Mütter- und Kindersterblichkeit zu verringern, ist eines der Ziele des Internationalen Hebammenverbandes. Ein Weg dorthin führt über die Bereitstellung von gut ausgebildeten Hebammen für alle Frauen. Petra ten Hoope-Bender, Generalsekretärin des Internationalen Hebammenverbandes: "Die Betreuung durch eine ausgebildete Hebamme bei der Geburt betrachten wir als ein Menschenrecht".
Aus diesem Grund tritt der Internationale Hebammenverband mit zwei Forderungen an die Öffentlichkeit:
Die Hebammen fordern, dass jede Frau die Betreuung durch eine gut ausgebildete Hebamme in Anspruch nehmen kann. Die Regierungen sollen Ausbildungsprogramme starten und für die geburtshilfliche Versorgung auch in den ländlichen Gebieten ihrer Länder sorgen. Derartige Programme wurden in den vergangenen Jahren bereits von einzelnen Staaten in Angriff genommen: In Indonesien wurden binnen fünf Jahren 54.000 Hebammen ausgebildet und in den Dörfern zweier ausgewählter Regionen stationiert. Bis 2010 sollen dort 85 Prozent aller Geburten von ausgebildeten Geburtshelferinnen betreut werden - zur Zeit sind es erst 36 Prozent. Ähnliche Programme wurden im Rahmen der Safe Motherhood-Initiative der WHO in Nigeria, Mosambik, Sudan, Uganda, Bolivien und Äthiopien gestartet.
Außerdem fordert der Internationale Hebammenverband die angemessene Anwendung von Kaiserschnittentbindungen. Die WHO geht davon aus, dass eine Mindestrate von fünf Prozent an Kaiserschnitten eine risikoarme Mutterschaft bei Risikoschwangerschaften gewährleistet. Alle Länder, die weniger als zwei Prozent Kaiserschnitte haben, wie zum Beispiel Kamerun, Nigeria, Madagaskar und Sambia, verzeichnen auch eine besonders hohe Müttersterblichkeit.
Mehr als 15 Prozent Kaiserschnitte sind für die Sicherheit von Mutter und Kind aber nicht vorteilhaft. Denn auch der Kaiserschnitt birgt erhebliche Risiken - die Müttersterblichkeit ist neunfach höher als bei einer normalen vaginalen Geburt. Lediglich bei echten Risikoschwangerschaften bedeutet der Kaiserschnitt ein verringertes Risiko. Dennoch kommen in Argentinien 20 Prozent der Kinder per Kaiserschnitt zur Welt, auch in Rumänien, Indonesien und im Iran liegen die Kaiserschnittraten über der 20-Prozent-Marke. In China werden sogar vier von zehn Entbindungen durch Kaiserschnitt vorgenommen, in den USA, in Europa und in der Oberschicht Argentiniens und Chinas boomt der "Wunschkaiserschnitt".
Petra ten Hoope-Bender: "Bei der Deligiertenversammlung werden wir eine Resolution zur Förderung der Vaginalentbindung gegenüber der Kaiserschnittgeburt erarbeiten, um die Hebammen in ihrem Bemühen zu unterstützen, dass der Kaiserschnitt als lebensrettende Intervention nur in medizinisch begründeten Notfällen angewandt wird."
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