Fast jede Geburt (98 Prozent) in Deutschland und Österreich findet heute in einer Klinik statt, nur ein verschwindend kleiner Anteil der Entbindungen werden zu Hause durchgeführt. In den Niederlanden dagegen entbinden 35 Prozent der Frauen in der eigenen Wohnung.
Der Boom der Sanften Geburt in den 70er-Jahren hat zwar dazu geführt, dass die Kreißsäle in den Kliniken wohnlicher und freundlicher gestaltet und eigene Gebärstühle und -badewannen installiert wurden. Aber für eine grundlegende Abkehr von der hoch technisierten Geburt reichte die Bewegung nicht.
Weil immer mehr Frauen immer später Kinder bekommen - im Durchschnitt kommt das erste Kind heute mit 28 - werden automatisch auch immer mehr als "Risikoschwangerschaften" eingestuft. So kommt es zu der "etwas seltsamen Situation," erklärt Beate Schücking von der Universität Osnabrück, "dass in einem Land mit überdurchschnittlich gutem Gesundheitsstatus die Mehrzahl der Frauen unter diesem "Risiko-Konzept" zu Risikoschwangeren deklariert werden".
Eine Untersuchung in Niedersachsen zeigt, dass in der klinischen Geburtshilfe nur weniger als zehn Prozent aller Entbindungen ohne medizinisch-technische Interventionen ablaufen. Ob die Schwangere zur Risikogruppe gehört oder nicht, macht dabei keinen Unterschied.
Renate Großbichler, Präsidentin des Österreichischen Hebammengremiums: "Die Ärzte sollten viel genauer unterscheiden, wo tatsächlich ein Risiko vorliegt und nur dann sollte High-Tech zum Einsatz kommen."
Wie entspannt man mit Geburt umgehen kann, zeigt das Holländische Modell: In den Niederlanden entbindet jede dritte Frau zu Hause, das ist auch nach WHO-Einschätzung das "angemessenste Geburts-Ambiente für die meisten schwangeren Frauen".
Hinweis:
Vom 14.4. bis zum 18.4.2002 wird Wien das Weltzentrum der Geburtshilfe sein. 3000 Hebammen aus aller Welt versammeln sich zum Erfahrungsaustausch über die Situation der Hebammen und der Geburtshilfe im Wiener Austria Center zum "26. Kongress des Internationalen Hebammenverbandes".
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