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Neue Waffe gegen Seuchen

03.05.2002

Max-Planck-Forscher ist es gelungen, den Mechanismus zur Bekämpfung gefährlicher Bakterien zu entdecken: Die Fähigkeiten der weißen Blutzellen konnten entschlüsselt werden. Damit dürfte die Grundlage für neue Generation von Antibiotika geschaffen worden sein.

In unserem Körper findet ein ständiger Kampf zwischen Krankheitserregern und Immunsystem statt. Die erste Abwehrfront bilden weiße Blutzellen, die Mikroorganismen aufnehmen und eliminieren können. Prof. Zychlinsky, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, und Yvette Weinrauch, New York University School of Medicine, haben jetzt herausgefunden, wie es den weißen Blutzellen mit Hilfe des Enzyms Elastase gelingt, die krankmachenden Waffen von Bakterien lahm zu legen. Mit diesem Wissen lassen sich neuartige Antibiotika gegen gefährliche Infektionskrankheiten, wie Ruhr oder Typhus, schneidern.

Weiße Blutzellen (Leukozyten) nehmen eindringende Bakterien auf. In der Zelle gelangen die Bakterien in die so genannte Vakuole, dort werden sie durch giftige Substanzen abgetötet. Dieser Mechanismus ist die Grundlage dafür, daß unser Organismus mit kleinen Wunden oder milden Infektionen fertig werden kann.

Manchmal werden wir jedoch von Bakterien infiziert, die diese weißen Blutzellen angreifen. Etwa bei Dysenterie (Ruhr), einer lebensbedrohlichen Form von blutigem Durchfall, der durch das Bakterium Shigella verursacht wird. An der Ruhr sterben jährlich Millionen von Menschen, vorwiegend Kinder in Entwicklungsländern.

Shigella nutzt krankheitsvermittelnde Proteine, um menschliche Zellen zu beeinflussen. Mit Hilfe dieser Proteine vermag Shigella in kürzester Zeit in jede beliebige Körperzelle einzudringen und aus der Vakuole zu entkommen. Bei der Untersuchung dieses Mechanismus stießen Weinrauch und Zychlinsky auf folgenden Widerspruch: Wenn Shigella aus der Vakuole der Abwehrzellen "fliehen" kann, in der das Bakterium eigentlich getötet werden soll, dann müssten Shigella-Infektionen eigentlich immer tödlich verlaufen. Dennoch erholen sich die meisten Menschen nach einer akuten Ruhr-Infektion wieder.

Die Forscher vermuteten die Lösung dieses Widerspruchs in einem bestimmten Typ von weißen Blutzellen, den neutrophilen Granulozyten: Zum einen treten diese Blutzellen bei Shigella-Infektionen in großer Zahl auf, zum anderen sind sie mit Waffen ausgerüstet, die Bakterien töten können, wenn diese in eine Vakuole eingesperrt sind.

In Zusammenarbeit mit Jerry Weiss, der jetzt an der Iowa University arbeitet, fanden Zychlinsky und Weinrauch heraus, daß Shigellen in neutrophilen Blutzellen tatsächlich in Vakuolen eingeschlossen bleiben und sich nicht befreien können.

Warum bleibt Shigella in den Vakuolen der neutrophilen Blutzelle? Die Forscher entdeckten einen Mechanismus, mit dem die neutrophilen Blutzellen nicht nur Shigella, sondern auch andere Infektionserreger entwaffnen. Neutrophile Blutzellen produzieren das Enzym Elastase, das mit einer beeindruckenden Effizienz krankheitsvermittelnde Proteine erkennen und zerstören kann. Dazu gehören auch die Proteine, welche Shigella für die Flucht aus der Vakuole benötigt.

Auf diese Weise halten die neutrophilen Blutzellen Shigella so lange gefangen, bis andere Abwehrmechanismen mobilisiert sind, die das Bakterium zerstören. Hingegen können neutrophile Blutzellen mit deaktivierter Elastase Shigellen nicht in der Vakuole zurückhalten, so daß die Bakterien den Angriff überleben und als Sieger hervorgehen.

Die gemeinsamen Tests mit Steve Shapiro von der Harvard Medical School zeigten auch, daß Elastase nicht nur die krankheitsvermittelnden Proteine von Shigellen zerstören kann, sondern auch die von Salmonellen und Yersinien, den Erregern von Typhus und Pest.

Prof. Zychlinsky sieht wichtige Anwendungsmöglichkeiten der Forschungsergebnisse: "Noch haben wir eine Reihe von Fragen nicht beantwortet, wie zum Beispiel: Wie wird die Elastase rechtzeitig bereitgestellt? Wie kann sie die krankheitsvermittelnden von normalen Proteinen eines Bakterium unterscheiden? Doch trotzdem ermöglicht unsere Entdeckung bereits jetzt die Entwicklung einer neuer Generation von Antibiotika, die darauf abzielen, krankheitsvermittelnde Proteine von Infektionserregern zu neutralisieren, statt wie bisher ohne Unterschied jeden Mikroorganismus".

Quelle:
Neutrophil elastase targets virulence factors of enterobacteria Yvette Weinrauch, Doreen Drujan, Steven D. Shapiro, Jerrold Weiss & Arturo Zychlinsky
Nature 417, 91 - 94 (2002)

© medizin.at

 

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