"Das belgische Sterbehilfe-Gesetz eröffnet die Bühne für das erschreckende Szenario, daß dem Todeswunsch schwer kranker Menschen nachgegeben wird, ohne nach den Gründen zu forschen", sagt der Psychiater Prof. Hegerl von der Ludwig-Maximilians-Universität. Psychiater des Forschungsprojektes Kompetenznetz "Depression, Suizidalität" kritisieren das belgische Sterbehilfe- Gesetz, das die Tötung von psychisch und körperlich kranken Menschen legalisiert.
Vielfach sei nicht die schwere körperliche Erkrankung der Grund für den Todeswunsch, sondern eine unbehandelte Depression. "Nicht nur Laien, sondern auch Ärzte missverstehen den Todeswunsch als nachvollziehbare Reaktion auf die schwere körperliche Begleiterkrankung und übersehen dabei die Depression, die behandelt werden könnte", erklärt der Psychiater. Vor diesem Hintergrund von einem "Freitod" zu sprechen, sei zynisch.
Viele Patienten mit einer depressiven Erkrankung kennen den Wunsch,
nicht mehr leben zu wollen. 15 Prozent aller Menschen, die unter einer
schweren Depression leiden, sterben durch Suizid. "Der Todeswunsch ist
Symptom der Erkrankung und sollte als Hilferuf und Appell für eine
bessere Behandlung der Patienten verstanden werden", sagt Prof.
Hegerl, Sprecher des deutschen Forschungsprojektes Kompetenznetz
"Depression, Suizidaltät". Weltweit sterben mehr als eine Million
Menschen pro Jahr durch Selbsttötung. Studien zeigen, daß 90 Prozent
der Suizide vor dem Hintergrund einer psychiatrischen Erkrankung
geschehen, die aber oft übersehen bzw. nicht ausreichend therapiert
wurde.
Eine Depression kann in den meisten Fällen mit Medikamenten oder
Psychotherapie erfolgreich behandelt werden, aber derzeit erhalten nur
10 Prozent aller Patienten eine Therapie, die dem Stand der Forschung
entspricht. "Das belgische Sterbehilfe-Gesetz birgt die Gefahr, daß
dem Todeswunsch depressiv erkrankter Menschen nachgegeben wird, obwohl
erfolgreiche Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen", so Hegerl
weiter. Das Gesetz schreibe keine ausreichende psychiatrische
Untersuchung der Betroffenen durch einen Facharzt vor, um z.B. eine
Depression auszuschließen.
Kompetenznetz "Depression, Suizidalität"
www.kompetenznetz-depression.de
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