Ein von der Universität Lübeck und dem Medizinischen Laserzentrum Lübeck entwickeltes Gerät zur bildgebenden Gewebediagnose ermöglicht nun Routinemessungen der Haut, bei der keine Gewebsentnahme nötig ist.
Um eine sichtbare Hautveränderung mikroskopisch zu untersucht, mußte bisher vom Arzt eine Gewebeprobe entnommen (Biopsie) und von einem Pathologen untersucht werden.An der Universität Lübeck wird ein neuartiges Verfahren zur bildgebenden Untersuchung von Hautveränderungen eingesetzt.
Mit derMethode, Optische Kohärenz Tomographie, kurz OCT genannt kann z.B. der Erfolg einer Therapie bei Neurodermitis, der Einfluss von Kosmetika auf die Haut, der Verlauf einer Wundheilung oder das Ausmaß einer Entzündung untersucht werden. Ziel der Lübecker Dermatologen ist es, das Gerät in Zukunft auch zur Früherkennung von Hautkrebs einzusetzen, hier laufen erste Erfolg versprechende Untersuchungen.
OCT ist die Bezeichnung für ein physikalisches Messverfahren, bei dem infrarotes Licht in das Gewebe eindringt. Aus dem reflektierenden Licht, das mit einem Referenzstrahl abgeglichen wird, erstellt ein Computer ein zweidimensionales Bild der analysierten Region. "In der Medizintechnik wird OCT vor allem bei Augenuntersuchungen angewandt, weil das Auge sehr lichtdurchlässig ist", erläutert Dr. Welzel von der Universität Lübeck.
Jetzt ist es erstmals gelungen, ein leistungsstarkes Gerät zu entwickeln, mit dem auch die "blickdichte" Haut, in der Licht stark streut und die deshalb für nicht-inavsive optische Methoden wenig zugänglich ist, untersucht werden kann. Die
Strahlung selbst ist für den Menschen unbedenklich; die Untersuchung kann unbegrenzt wiederholt werden.
Das Verfahren ähnelt dem eines Ultraschallgeräts. Beim Ultraschall werden jedoch keine optischen, sondern akustische Reflexionen bildlich dargestellt. Auch die Art der Anwendung ist mit einem Ultraschallgerät vergleichbar: Mit einem flexiblen Handstück fährt der Arzt über die zu untersuchende Stelle.
In Echtzeit entstehen bildschirmfüllend bis zu einem Zentimeter breite und maximal 1,7 Millimeter tiefe Aufnahmen der Haut, die annähernd mikroskopischen Charakter haben: Hornhaut, Oberhaut (Epidermis) und Lederhaut (Dermis) grenzen sich voneinander ab, selbst winzige Blutgefäße und Schweißdrüsen sind gut sichtbar.
Dr. Welzel: "Die Hautaufnahmen sind erheblich besser als die von Ultraschallgeräten. Deren Auflösung ist wesentlich geringer und die Bilder sind entsprechend schlechter." Ein Gel wie bei der Ultraschalluntersuchung muß nicht aufgetragen werden.
Stärken der "optische Biopsie"
- Verzicht auf Gewebeproben:
Eine Gewebeentnahme kann nur einmal
durchgeführt werden, weil die verdächtige Hautveränderung aus dem
Körper geschnitten wird. Bei der optischen Diagnose ist dagegen kein
Eingriff nötig. Die entsprechende Hautstelle lässt sich jederzeit neu
untersuchen.
- Das Ausmaß einer Hautveränderung kann exakt beurteilt werden:
Die
Ärzte können sehr gut feststellen, wie ausgeprägt eine Entzündung ist,
welche Auswirkungen eine Verletzung hat oder ob eine länger andauernde
Cortison-Behandlung die Haut über Gebühr ausdünnt.
- Der Erfolg einer Therapie ist frühzeitig sichtbar:
Beginnen etwa
Neurodermitis- oder Schuppenflechte-Patienten eine neue Behandlung,
kann deren Verlauf durch regelmäßige Untersuchungen kontrolliert
werden. Schlägt die Therapie nicht an, lässt sich dies bereits nach
kurzer Zeit erkennen und entsprechend beeinflussen. Auch bei schwer
heilenden Wunden kann mittels OCT exakt beobachtet werden, ob die
Epidermis wieder einwächst. Dies war bisher nur mit einer
mikroskopischen Untersuchung von entnommenem Gewebe möglich.
- Lasertherapien sind gut kontrollierbar:
Immer häufiger lassen Frauen
und Männer altersbedingte Falten im Gesicht mit dem Laser entfernen.
Wie viel Gewebe abgetragen wird, entscheidet letztendlich der Chirurg.
Mittels OCT kann jetzt die Tiefe exakt bestimmt und kontrolliert
werden.
- Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Pflegeprodukten und
Kosmetika kann geprüft werden:
Welchen Einfluss bestimmte Salben oder
Seifen auf die Haut haben, lässt sich mit OCT exakt bestimmen. Z.B.
haben die Lübecker Dermatologen bei Probanden, die ihre Finger 20
Minuten in Wasser bzw. Lauge gebadet haben, festgestellt, daß so
genannte seifen-freie Waschstücke ("Syndets") einen geringeren
Quelleffekt auf die Haut haben als Wasser oder Seife und auch nicht
mehr so austrocknend wirken wie Seife.
Bei Patienten mit
berufsbedingten Hauterkrankungen konnte auf diese Weise ermittelt
werden, dass sich längeres Tragen von Schutzhandschuhen negativ auf
die Haut auswirkt und deshalb mit speziellen Cremes kombiniert werden
sollte.
Ein bislang noch nicht erreichts Ziel ist die frühzeitige Diagnose von
Hauttumoren:
Schon jetzt kann den Patienten eine Gewebeentnahme
erspart werden, wenn es um die Frage "Tumor oder Entzündung?" geht.
Auch lässt sich die Ausbreitung eines Hauttumors mit dem OCT-Verfahren
bereits bestimmen. Doch ein frühzeitiges Erkennen von bösartigem
Gewebe ist erst dann möglich, wenn die Bildauflösung weiter verbessert
wird und in den mikroskopischen Bereich vordringt.
Erste Versuche mit verfeinerter Technik laufen bereits; Dr. Welzel ist
zuversichtlich: "Die rechtzeitige Tumordiagnose bedeutet einen enormen
Zeitgewinn für den Patienten, weil dann unmittelbar mit der Therapie
begonnen werden kann."
Seit vier Jahren wird der Prototyp eines OCT-Geräts in der Hautklinik
genutzt und seitdem permanent modernisiert. Benötigte der Computer
anfangs für einen nur vier Millimeter großen Hautscan noch 20 Minuten,
so wurde das Verfahren schrittweise für den Einsatz am Patienten
tauglich gemacht. Inzwischen, so Dr. Welzel, wird es für systematische
Untersuchungen in großem Stil verwandt: "Jährlich analysieren wir mehr
als 1000 Hautveränderungen. Die Bedienung des Geräts wurde immer
weiter vereinfacht, so dass wir es jetzt problemlos routinemäßig
anwenden - ohne dass ein Physiker neben uns stehen muss."
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