Alte Bleileitungen im Haushalt belasten auch heute noch das Trinkwasser. Das hat eine Studie der Abteilung Allgemeine Hygiene und Umweltmedizin des Bereichs Humanmedizin der Universität Göttingen ergeben.
"Mit unserer Untersuchung haben wir diese Problematik am
Beispiel von zwei kommunalen Versorgungsgebieten (Berlin, Göttingen
und Umgebung) aufgegriffen. Unser Ziel war es, die Häufigkeit erhöhter
Bleikonzentrationen im Trinkwasser von Wohnungen mit Familien mit
Kleinkindern in den unterschiedlichen Wohnbezirken zu ermitteln.
Außerdem haben wir betroffenen Familien Maßnahmen, wie zum Beispiel
den Austausch der Leitungen, empfohlen, um die Bleiaufnahme zu
vermindern," sagt Professor Dr. Hartmut Dunkelberg, Leiter der
Abteilung Allgemeine Hygiene und Umweltmedizin. Damit sollten auch
bleibedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen von Kindern reduziert
werden.
Für Leitungswasser hat die World-Health-Organisation (WHO) als
Richtwert eine maximale Konzentration von zehn Mikrogramm je Liter
(zehn µg/l) angegeben. Die Ergebnisse der Studie liegen zum Teil bei
Werten bis zu 186 µg/l. Frühere internationale Studien hatten ergeben,
dass eine Bleibelastung das Lernvermögen und die kindliche Entwicklung
einschränkt.
Im Raum Göttingen wurde das Trinkwasser von etwa 1.500 Wohnungen von
Familien mit Kleinkindern untersucht. Erhöhte Bleikonzentrationen im
Trinkwasser waren dabei regional unterschiedlich häufig. So lag der
Anteil mit einer Bleikonzentration von über zehn µg/l im Stadtgebiet
Göttingen bei 1,6 Prozent, in Friedland bei 11,1 Prozent. Die
betroffenen Familien konnten nach Kenntnis der Untersuchungsergebnisse
und der erteilten Empfehlungen unterschiedliche Maßnahmen zur Abhilfe
und Minderung der kindlichen Bleibelastung umsetzen.
In vielen Fällen
veranlasste oder beschleunigte ein auffälliger Befund den Austausch
der Bleileitungen. Besonders Eigenheime mit anstehendem
Renovierungsbedarf waren davon betroffen. In anderen Fällen, wie bei
Mehrfamilienhäusern im Citybereich, konnten praktische und einfache
Empfehlungen für Sofortmaßnahmen gegeben werden. Hierzu gehören das
Ablaufenlassen des in der Leitung stehenden Wassers bis es eine
durchgehende, beständige Temperatur hat oder die Verwendung von
Flaschenwasser, wenn erhöhte Bleikonzentrationen konstant im
Trinkwasser nachgewiesen wurden.
In Berlin wurde etwa 10.000 Familien mit Kindern angeboten, ihr
Trinkwasser auf Bleispuren hin zu untersuchen. Bei den beiden
untersuchten Tagesprofilen hatten 5,6 Prozent beziehungsweise sieben
Prozent aller Haushalte Bleiwerte über dem WHO-Wert von zehn µg/l, der
höchste Messwert lag bei 186 µg/l. In verschiedenen Bezirken wie
Charlottenburg, Neukölln, Schöneberg, Wilmersdorf und Zehlendorf
hatten mehr als zehn Prozent der Wohnungen Bleikonzentrationen im
Trinkwasser von über zehn µg/l.
Am empfindlichsten reagieren Kinder auf eine Bleiaufnahme. Diese kann
bereits in der vorgeburtlichen Entwicklungsphase, häufiger in der
Säuglingsphase und im Kleinkindalter stattgefunden haben. Zum Beispiel
durch eine hohe Bleibelastung des Wohnumfeldes oder durch die
Verwendung bleibelasteten Trinkwassers für die Säuglingsnahrung. Viele
weltweit durchgeführte Studien an Kindern zeigen eindeutig, dass
Defizite in Sprachbeherrschung und Aussprache, in Aufmerksamkeit und
schulischer Leistung mit einer höheren Bleibelastung im Kindesalter
assoziiert sind und auch ursächlich hierzu in Beziehung stehen.
Auch
im Erwachsenenalter sind diese Effekte noch nachweisbar, selbst wenn
die Bleigehalte im Blut dann nicht mehr erhöht sind. Vielen Eltern von
Kleinkindern ist das gesundheitliche Risiko durch Bleibelastung nicht
bewusst. Häufig haben sie auch keine Kenntnisse über die technische
Ausstattung ihres Hauses beziehungsweise das Material der
Wasserleitungen, so dass die Notwendigkeit eines Austausches gar nicht
erkannt werden kann.
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