Ob Chemotherapeutika oder Gerinnsel auflösende Medikamente - beide können jetzt hochdosiert durch die Gefäße strömen: Ein kleines Gerät revolutioniert die Krebs- und Thrombosetherapie. Die Innovation dabei: Ein künstlicher Kreislauf vermeidet Nebenwirkungen weitgehend.
Die sog. Perfusionstherapie im Extrakreislauf ist wirksamer und verursacht weniger Nebenwirkungen. Diese innovative, kostengünstige Technologie wurde jetzt von PD Dr. Achim Mumme (Chirurgische Universitätsklinik der RUB, Abteilung Gefäßchirurgie) zusammen mit der Jostra AG (Hirrlingen) für einen breiten Einsatz weiterentwickelt.
Mumme hat das einfach zu bedienende Gerät nun erstmalig zur Chemotherapie
einer Krebserkrankung am Bein eingesetzt. Auf der 44. Jahrestagung der
Deutschen Gesellschaft für Phlebologie in Mannheim berichtete der Mediziner
über erste Erfahrungen mit dem Prototyp.
Medikamente mechanisch einsetzen
Die neu entwickelte Technologie ermöglicht es, hoch wirksame Medikamente auf
mechanischem Wege zielgenau zum Tumor oder Gerinnsel zu transportieren.
Mithilfe spezieller Katheter, durch die erkrankte Stellen oberhalb und
unterhalb abgeklemmt werden, können auch ganz kleine erkrankte Bereiche oder
einzelne Organe zeitweise mit einem separaten Kreislauf versorgt werden.
Die Herz- und Lungenfunktion des Kreislaufes übernimmt die kleine Maschine. Ein
Gesamteingriff in den Organismus ist nicht mehr notwendig. Dank modernster
Technologie ist die Organperfusion einfach durchführbar. Spezielle
herzchirurgische Kenntnisse sind nicht mehr erforderlich.
Nebenwirkungen erfolgreich vermeiden
Bislang konnten Ärzte bei Therapien mit hoch wirksamen Medikamenten
(Chemotherapeutika, Fibrinolytika) nur ungenügend helfen, da diese aufgrund
von Nebenwirkungen lediglich sehr gering dosiert werden konnten. Bei der
üblichen Therapie verteilen sich die Medikamente im gesamten Körper. Nur ein
geringer Anteil der Medikamente wirkte dort, wo sie auch benötigt wurden. Im
übrigen Körper konnten die Medikamente Schaden anrichten.
Mediziner forschten daher seit mehr als zwanzig Jahren intensiv nach "intelligenten" Medikamenten, die ausschließlich in kranken Organen wirken - jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Die entscheidende Idee kam mit der "Zweckentfremdung" der Herz-Lungen-Maschine...
Eine Herz-Lungen-Maschine wird üblicherweise bei Operationen am Herzen
eingesetzt. Während der Operation des stillgelegten Herzens übernimmt die
Maschine deren Pumpfunktion und hält damit den Blutkreislauf aufrecht,
während die künstliche Lunge das Blut mit dem notwendigen Sauerstoff
versorgt.
Der RUB-Mediziner hat die Herz-Lungenmaschine nun zweckentfremdet:
Einzelne Organe oder Extremitäten werden vom übrigen Körperkreislauf
isoliert und mit einem separaten Kreislauf versorgt. In diese können
Mediziner nun beispielsweise Chemotherapeutika geben, die nur im isolierten
Organ, nicht aber im übrigen Körper wirken sollen. Während damit die
Nebenwirkungen außerhalb des Kreislaufs ausgeschlossen sind, werden im
künstlichen Kreislauf die Medikamente entsprechend extrem hoch dosiert.
Nachdem die Therapie beendet ist, kann der Arzt den künstlichen Kreislauf
wieder entfernen.
Kostengünstige Technologie
Bislang mussten die Mediziner für dieses Verfahren die komplizierten,
kostenintensiven Herz-Lungen-Maschinen aus der Herzchirurgie verwenden, so
dass diese Therapie auf wenige Zentren beschränkt blieb. Die neue
Technologie, die lediglich ca. 20.000 Euro kosten wird, wird es jedoch
ermöglichen, die sogenannte Organperfusion ohne großen Aufwand
durchzuführen - sogar bei niedergelassenen Internisten.
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