"Palliativbetreuung ist eine Alternative zu den jetzt wieder aktuellen Euthanasiebestrebungen. Der Wunsch nach aktiver Tötung drückt fast immer eine Unzufriedenheit in der Betreuung aus, die z.B. aufgrund von Schmerzen, Angst, Einsamkeit, dem Gefühl, für andere eine Belastung zu sein, der zu geringen Beachtung der Selbstbestimmung vorhanden ist", analysiert Dr. Harald Retschitzegger, Vorsitzender der Oberösterreichischen Hospizbewegung. Er leitet das stationäre Hospiz "St. Vinzenz", das vor wenigen Monaten für unheilbar kranke Menschen am Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in Ried/Innkreis eröffnet wurde.
Kein Sterbehaus
Diese Palliativstation wurde in einem eigenen Haus neben dem Spital eingerichtet und verfügt über 10 Einzelzimmer. Für Patienten oder deren Angehörige entstehen keine gesonderten Kosten. Die Aufnahme erfolgt über die Zuweisung vom Hausarzt oder von einer Krankenhausabteilung. "Das Hospiz ist kein Sterbehaus", unterstreicht Retschitzegger. "Vergleichbare Einrichtungen haben eine durchschnittliche Verweildauer von 14 Tagen und Entlassungzahlen von 30 bis 50 Prozent." Es gibt auch mehrmalige Aufenthalte und dazwischen Zeiten des Zuhauseseins. Das oberste Ziel bleibt aus Retschitzeggers Sicht, "wenn möglich zuhause sterben zu können. Wir wollen deshalb eng mit ambulanten Betreuungs-teams zusammenarbeiten."
Im Hospiz "St.Vinzenz" wird auf eine interdisziplinäre Betreuung gesetzt. Diplompflegepersonal arbeitet eng u.a. mit Ärzten, Seelsorgern, Sozialarbei-tern und Physiotherapeuten zusammen. Ein wichtiger Teil dieses Teams sind zudem ehrenamtliche HelferInnen, die besonders für einsame Menschen da sind.
In Würde sterben
Wesentliches Prinzip der umgesetzten Palliativmedizin ist, daß es keine starren, regelmäßigen Routineuntersuchungen wie Blutabnahmen gibt, "sondern nur solche individuelle Diagnostik, deren Ergebnis eine Symptomlinderung für den Patienten ermöglicht", erklärt Retschitzegger. "Ein Palliativmediziner geht anders an den Patienten heran. Es geht nicht um Heilen oder Nichtheilen, sondern um Lebensqualität und Menschenwürde bis zum Abschied."
Ebenso flexibel sind die Tagespläne am Hospiz. Die Essenszeiten sind z.B. individuell gestaltbar. Ermöglicht werden soll auch ein wirkliches voneinander und vom Leben Abschiednehmen.
Das Hospiz soll eine Vorbildfunktion haben, Sterbebegleitung, die auch auf die verschiedenen Dimensionen von Schmerz - körperlich, seelisch, sozial und spirituell - eingeht, im intra- und extramuralen Bereich positiv beeinflussen. In Großbritannien, dem Ursprungsland der Hospiz-idee gibt es übrigens über 200 Fachärzte für Palliativmedizin und 228 Palliativstationen mit mehr als 3.300 Betten. In Österreich, genauer gesagt in Wien, gibt es hingegen erst 41 Betten. Retschitzegger betont: "Der Ausbau der ambulanten Betreuungsmöglichkeiten, aber auch das Umsetzen der Palliativmedizin in Rahmen von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen usw. ist ebenso wichtig."
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