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Ein Blick auf die Polypen ohne Endoskop

18.10.1999

An den Folgen eines Kolonkarzinoms sterben mehr Menschen als durch Autounfälle. Da solche Malignome gerade in frühen Stadien - meistens entwickeln sie sich ja aus Darmpolypen -, wenn überhaupt, nur zeitweise bluten, entgehen sie oft den bekannten Tests auf okkultes Blut im Stuhl.

Eine neue vielversprechende und vor allem nicht-invasive Methode zur Darmkrebs-Früherkennung ist die MR-Kolonographie: Durch modernste Bildnachverarbeitung liefert sie Aufnahmen wie mit dem Endoskop.

Wie im U-Boot Als säße er in einem Mini-U-Boot, so gleitet der Betrachter durch enge Röhren, kurvt um Biegungen, vorbei an Wülsten, Furchen und Rinnen. Da plötzlich ein Hindernis, das zum Stoppen zwingt: Ein leicht gebogener Zapfen versperrt den Weg. Die genaue Inspektion ergibt: Es ist ein Darmpolyp! Solche dreidimensionalen Sequenzen, wie sie ähnlich auch von Flugsimulatoren her bekannt sind, rühren jedoch keineswegs von der Kamera eines Endoskops her.

Tatsächlich sind es von einem Programm umgerechnete MRT-Daten. Vorgeführt hat sie Dr. Wolfgang Luboldt von der Universitätsklinik in Tübingen beim 10. Jahrestreffen der Europäischen Gesellschaft für Gastrointestinale und Abdominelle Radiologie in Tübingen. Das Besondere der MR-Kolonographie ist nicht nur die Bildnachverarbeitung, sondern auch die ultraschnelle Bildgebung. Der in weniger als 30 Sekunden aufgenommene 3D-Datensatz ermöglicht die Rekonstruktion von plastischen Außen- und Innenansichten des Darms sowie von Schnittbildern in beliebiger Orientierung. Zudem erzeugt eine virtuelle Lichtquelle perspektivische Schatteneffekte.

Dieser räumliche Eindruck, die freie Wahl von Bewegungsrichtung und Blickwinkel sowie ein Bildaufbau in Echtzeit, den leistungsfähige Computer errechnen, täuschen einen Flug durch das Kolon vor. Hilfe bei Orientierung und Navigation erhält der "Pilot" durch drei zueinander orthogonale Schnittbilder, die gleichzeitig auf einem Bildschirm erscheinen: Daraus ersieht er die augenblickliche Position und Blickrichtung der virtuellen Optik.

So kann er die Morphologie des Dickdarms nahezu wie bei einer Koloskopie beurteilen, der bisher zwar genauesten, aber auch teuren und belastenden Methode. Die MR-Kolonographie ist dagegen kostengünstiger, für den Patienten angenehmer und hat ferner den großen Vorteil, daß auch andere Organe des Bauchraums - Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Aorta - begutachtet werden können. Die Untersuchung selbst dauert insgesamt weniger als eine Viertelstunde. Allerdings muß der Darm derzeit noch einen Tag vorher durch ein Abführmittel entleert werden. Unmittelbar davor erhält der Patient ein Medikament, das die Peristaltik beruhigt. Dann wird der Darm durch einen rektalen Einlauf mit Wasser gefüllt, dem zur besseren Darstellung 60 ml Kontrastmittel zugesetzt wird.

Keine Artefakte

Bei der ersten Aufnahmeserie liegt der Patient auf dem Bauch, bei der zweiten auf den Rücken, um Lufteinschlüsse zu verlagern. Die kurze "Belichtungszeit" ermöglicht Aufnahmen bei angehaltenem Atem, so daß Bewegungsartefakte wegfallen. So lassen sich mit der MR-Kolonographie Polypen, die größer als ein Zentimeter sind, mit einer Sensitivität von über 90 Prozent nachweisen. Das hat eine erste Studie ergeben, an der 140 Patienten teilgenommen haben, wie Luboldt berichtet hat. Sind die Polypen allerdings kleiner als sechs Millimeter, werden sie im allgemeinen übersehen. Da deren Entartungsrisiko jedoch nur ein Prozent beträgt, könne diese Ungenauigkeit in Kauf genommen werden. Außerdem würden sie, sollten sie doch wachsen, bei der nächsten Untersuchung erfaßt, die im Abstand von fünf bis zehn Jahren empfohlen wird. Inwiefern die Methode sinnvoll bei Reihenvorsorgeuntersuchungen auf Kolonkarzinome angewandt werden kann, wollen Luboldt und sein Team nun mit größeren Kollektiven prüfen.

© medizin.at / ÄRZTEWOCHE

 

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