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Blutdruck - was ist heute noch normal?

24.10.1999

"Der Nutzen einer Blutdrucksenkung ist bei Jüngeren wie bei Älteren durch einer Reihe großer Studien erwiesen", so Prof. Dr. Jörg Slany, Vorstand der 2. Medizinischen Abteilung der Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien. "Sowohl Patienten mit mittelschwerer systolischer und diastolischer Hypertonie haben unter Blutdrucksenkung durchwegs weniger kardiovaskuläre Ereignisse entwickelt als die Kontrollguppen."

Auch in der Altersgruppe der über 80jährigen konnten kardiovaskuläre Ereignisse durch Blutdrucksenkung insgesamt um 22 Prozent statistisch signifikant gesenkt werden. "Diesen positiven Ergebnissen von Hochdruckstudien stehen epidemiologische Daten, Fallstudien und Fallbeobachtungen entgegen, die negative Auswirkungen von niedrigem Blutdruck, orthostatischer Hypotension und forcierter Blutdrucksenkung berichten", erläutert Slany.

Blutdruck bei Senioren sehr labil Stürze, Schwindel und Benommenheit werden oft auf orthostatischen Blutdruckabfall zurückgeführt, der bei alten Menschen tatsächlich sehr häufig ist. "Überhaupt ist der Blutdruck bei alten Menschen oft sehr labil", so Slany. Ursachen dafür seien die Rigidität der Gefäße, die abgeschwächte bis fehlende Windkesselfunktion, die oft eingeschränkte kardiale Reserve, eine verminderte Barorezeptorensensitivität, die Neigung zur Dehydratation und anderes. Slany schränkt jedoch ein: "Neuere Studien an Altersheimbewohnern zeigen, daß die orthostatische Dysregulation, selbst wenn sie nachweisbar ist, offenbar nur selten Ursache von Stürzen ist."

Slany weiter: "Einzelne Fallberichte über meist reversible fokale Ausfälle bei plötzlicher Blutdrucksenkung beziehen sich zumeist auf Patienten mit hochgradigen Einengungen oder Verschlüssen hirnversorgender Arterien."

In der SYST-Euro-Studie wurden durch die Blutdrucksenkung vaskuläre Demenzen vermindert. "Die Autoren kommen zum Schluß, daß die erzielte Blutdrucksenkung von 10 mmHg systolisch und 5 mmHg diastolisch bei einer fünfjährigen Behandlung von 1.000 älteren Hypertonikern 19 Fälle von Demenz vermeidet", berichtet Slany. Eine Häufung kardiovaskulärer Erkrankungen und Todesfälle bei zu tiefer Senkung des diastolischen Blutdrucks wurde immer wieder behauptet und vorwiegend durch Daten aus Populationsstudien belegt.

Senkung muß behutsam erfolgen "Naturgemäß spielen bei derartigen Studien viele unkontrollierte und unkontrollierbare Faktoren eine Rolle", gibt Slany zu bedenken. "Der wichtigste Einwand gegen diese Studien kommt aus der MRFIT-Studie, daß das allerhöchste koronare Sterberisiko Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie und besonders tiefen diastolischen Blutdruckwerten aufweisen."

Tiefe diastolische Werte bei alten Menschen seien in der Regel ein Hinweis auf fortgeschrittene allgemeine Arteriosklerose. "Bei diastolischen Werten unter 75 mmHg läßt sich laut HOT-Studie eine Zunahme der kardiovaskulären Mortalität nicht ausschließen", so Slany.

Ein Ergebnis der HOT-Studie habe weiters gezeigt, daß im Bereich systolischer Werte zwischen 120 und 150 und diastolischer Werte von 75 bis 95 mmHg kaum Unterschiede bezüglich der kardiovaskulären Risiken bestehen. Slany: "Dieser breite Bereich günstiger Blutdruckwerte gibt das Therapieziel vor."

Akute Gefahren zu starker Blutdrucksenkung gebe es im Akutstadium von Schlaganfällen. "Bei akuten zerebralen Durchblutungsstörungen soll entweder gänzlich auf eine Blutdrucksenkung verzichtet werden oder, wenn unumgänglich, diese schrittweise unter kontinuierlicher Blutdrucküberwachung erfolgen", rät Slany. "Die Blutdrucksenkung bei älteren Menschen muß behutsam begonnen werden. Sie sollte aber letztlich bis zum Versuch der völligen Blutdrucknormalisierung fortgesetzt werden", faßt Slany zusammen.

© medizin.at / ÄRZTEWOCHE

 

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