OA Dr. Susanne Sieghart, Osteologische Ambulanz des Kaiserin Elisabeth-Spitals in Wien, zum Thema Osteoporose und Osteomalazie
Wie erstellen Sie die Diagnose "Osteoporose"?
SIEGHART: Um Osteoporose zu diagnostizieren, genügt die Knochendichtemessung nicht. Es bedarf einer gründlichen Anamnese, der Abklärung von Risikofaktoren und des Ausschlusses anderer Erkrankungen, die den Knochenstoffwechsel beeinflussen können. In 20 Prozent der Fälle liegt eine sogenannte sekundäre Osteoporose vor. Die häufigste Ursache für Störungen des Knochenstoffwechsels neben der postmenopausalen Osteoporose ist die Schilddrüsenüberfunktion.
Hier im 15. Bezirk beobachten wir außerdem besonders häufig Kalzium- und Vitamin-D-Mangel, vorwiegend bei Türkinnen. Die Frauen bringen oft viele Kinder zur Welt, die sie monate- bis jahrelang stillen. Das verursacht einen enormen Kalziumverlust durch die Muttermilch. Daneben sind die Frauen verhüllt und kaum dem Sonnenlicht exponiert. In unserer Ambulanz ist das die zweithäufigste Ursache für eine mangelnde Knochendichte. Es handelt sich dabei aber nicht um Osteoporose, sondern um Osteomalazie.
Wie kann der praktische Arzt eine Osteomalazie erkennen?
SIEGHART: Leider sind latente Mangelzustände nicht erkennbar. Erst im späten Stadium machen sie sich durch Skelettschmerzen, tetaniforme Krämpfe, Gangstörungen - den typischen Watschelgang - bemerkbar. Am Röntgen sieht man oft keinen sicheren Unterschied zur Osteoporose. Wenn diese Frauen in den Wechsel kommen, gibt es oft Fehldiagnosen! Hormone nützen in diesem Fall wenig - man muß hochdosiert Kalzium und Vitamin D substituieren.
Wie erkennt man eine Osteoporose frühzeitig?
SIEGHART: Die Osteoporose ist symptomlos, bis die ersten Folgeerscheinungen, wie Frakturen, auftreten. Daher versorgen wir Patientinnen jetzt schon in zunehmendem Maße aus Präventionsgründen zu Beginn der Menopause. Es ist "State of the Art", daß Patientinnen mit zumindest einem Risikofaktor (Anm.: siehe Kasten) im Wechsel vermessen werden.
Die erste Knochendichtemessung sollte so um die 50 gemacht werden. Laut WHO-Definition liegt Osteoporose vor, wenn die Knochendichte um mehr als 2,5 Standardabwei-chungen vom jungendlichen Normkollektiv (=t-Score) abweicht. Werte bis -1 sind normal. Wenn eine 50jährige Frau -2 hat, ist sie bereits höhergradig gefährdet. Bei PatientInnen mit Schmerzen machen wir ein Wirbelsäulen-Röntgen, um das Stadium der Osteoporose festzustellen und um abzuklären, ob höhergradige degenerative Veränderungen vorliegen. Bei älteren PatientInnen machen wir auch immer eine Oberschenkelhalsmessung, denn Verkalkungen der Bauchaorten können den Dichtewert komplett verfälschen.
Welche Therapie wenden Sie bei Osteoporose an?
SIEGHART: Die Therapieentscheidung hängt von Alter, Geschlecht, Stadium und Dynamik der Erkrankung, von Begleiterkrankungen und Begleitmedikation ab. Wenn also z.B. jemand Asthma oder Rheuma hat und Kortison nimmt, wird die Therapie stärker ausfallen. Eine Frau um die 55 mit noch stärkeren Wechselbeschwerden wird zunächst zu einem Versuch mit HRT überredet werden.
Wenn die Frauen schon länger als zehn Jahre nach der Menopause sind, werde ich nicht mit Hormonen beginnen. Wenn eine höhergradige Minderung der Knochendichte um -2 bis -2,5 oder ein Wirbelkörpereinbruch vorliegt, setze ich ein Bisphosphonat ein. Ich gebe tgl. zusätzlich 500-1.000mg Kalzium, wenn es nicht ausreichend mit der Nahrung aufgenommen wird. Bei älteren Patienten gebe ich meist Vitamin D dazu, weil erfahrungsgemäß zuwenig mit der Nahrung aufgenommen wird, vor allem bei Heimbewohnern. Wenn aber jemand den Winter in Mallorca verbringt, fällt diese Maßnahme weg.
Eine gute internistische Einstellung des Blutdrucks ist für die Sturzprophylaxe ebenfalls wichtig. Turnen wird für die Verbesserung der Balance und die Kräftigung der Muskulatur empfohlen. Wir raten den PatientInnen auch, Teppiche und alle Hindernisse wegzuräumen. Man kann Osteoporose noch so gut behandeln, ein Sturz ist immer riskant.
Kommen auch Männer in Ihre Ambulanz?
SIEGHART: Jeder sechste bis achte Patient ist ein Mann. Die Männer kommen meist erst spät, wenn bereits Wirbelkörper eingebrochen sind, oder wenn man durch Zufall im Röntgen diese Diagnose stellt.
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