Daß chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen (COPD) eine erhebliche Belastung für die Gesundheitssysteme darstellen, ist keineswegs neu. Der epidemiologische Vormarsch dieser Erkrankung löst jedoch mittlerweile unter Experten wachsende Besorgnis aus.
Bei einem von der Firma Boehringer Ingelheim unterstützten Satellitensymposium im Rahmen des ERS (European Respiratory Society)-Kongresses in Madrid wurden erschreckende Zahlen präsentiert: Im Jahr 1990 noch an sechster Stelle der Mortalitätsursachen, wird die COPD im Jahr 2020 voraussichtlich bereits an die dritte Stelle dieses wenig erfreulichen Rankings vorgerückt sein.
"Aus pulmologischer Sicht haben wir es von einem weltweiten Trend von der Tuberkulose zur 'Tabakulose' zu tun", meinte Dr. Jorgen Vestbo von der Abteilung für Respiratorische Medizin am Hvidovre Hospital, Dänemark. Während die epidemiologische Kurve der Tuberkulose eher flach verläuft, steige die Zahl der COPD-Patienten dramatisch an. Risikofaktor Nummer eins ist Tabakkonsum, wobei der amerikanische Trend zum Zigarrenrauchen nicht wirklich Verbesserungen bringt.
Vor allem Frauen sind von der dosisabhängigen Schädigung durch das Rauchen betroffen. Ihre augeprägtere Empfindlichkeit gegenüber der Noxe drückt sich in deutlicheren und rascheren Einbußen der Lungenfunktion, vor allem des FEV1, aus.
Vom Asthma zur COPD
Neben dem Faktor "niedriger sozioökonomischer Status", der möglicherweise durch Zigarettenrauchen verfälscht wird, zeichnet sich mittlerweile ein "neuer" Risikofaktor heraus.
Abseits des Problems der Differenzierung zwischen COPD und Asthma bronchiale haben sich die Hinweise gehäuft, daß ein ausgeprägter Rückgang des FEV1 und Asthma mit einem starken Anstieg der Mortalität, vorwiegend als COPD-Folge, verbunden ist.
Wie Dr. Michael Rudolf, Abteilung für respiratorische Medizin am Ealing Hospital in London, betonte, ist die COPD nicht nur unterdiagnostiziert, sondern auch und vor allem unter- und mißtherapiert. Trotz deutlicher Empfehlungen internationaler Guidelines hat sich an der Vorliebe von Ärzten und Patienten für Mukolytika und Antitussiva nach wie vor nicht viel geändert. Immerhin: Im Gegensatz zur Situation bei unseren deutschen Nachbarn nimmt in Österreich die Verschreibung dieser bei COPD nicht als primäre Therapie indizierten Medikamente seit etwa fünf Jahren merklich ab.
Englische Krankheit
"Hinsichtlich der Verschreibung inhalativer Steroide leidet Österreich jedoch an der 'englischen Krankheit'", meinte Rudolf. Nach derzeitigem Stand des Wissens brächten diese Medikamente lediglich bei 15 bis 20 Prozent der COPD-Patienten echte Verbesserungen. In der Praxis kommen inhalative Kortikosteroide - in Großbritannien wie in Österreich - jedoch wesentlich häufiger zum Einsatz. Geht es nach den internationalen Richtlinien, so sollten bronchodilatatorisch wirkende Substanzen, wie Beta2-Agonisten und Anticholinergika, bevorzugt zum Einsatz kommen.
Einmal täglich
Der Anspruch einer ausreichend langen Wirksamkeit, bisher eher ein Schwachpunkt der Anticholinergika, könnte schon bald von einem neuen Vertreter dieser Substanzklasse erfüllt werden. Tiotropium, das erste langwirksame Anticholinergikum, wird voraussichtlich im Laufe der nächsten Jahre in Österreich verfügbar sein.
"Diese neue Substanz muß lediglich einmal täglich eingenommen werden. Damit läßt sich eine über 24 Stunden anhaltende Erhöhung des FEV1 erzielen", betonte Prof. Dr. Peter Calverley vom Aintree Universitätsspital in Liverpool/UK. Tiotropium, so der Experte, bewirke eine deutlich längere Bronchodilatation als Ipratropium und sei gleichzeitig mit äußerst geringen Nebenwirkungen behaftet.
Die klinische Effizienz des neuen COPD-Medikaments zeige sich unter anderem in der Reduktion des täglichen Gebrauchs von Salbutamol. "Der geringere zusätzliche Einsatz dieses kurzwirksamen Beta2-Agonisten belegt die im Vergleich zu Plazebo bzw. Ipratropium deutlich bessere Symptomkontrolle", so Calverley.
Ein Versprechen für die Zukunft stellen nach Ansicht des Experten außerdem zwei weitere Aspekte dar: Die neuen Möglichkeiten der Raucherentwöhnung mit der zentral wirksamen Substanz Bupropion einerseits und die Aussicht auf eine Einflußnahme auf das grundlegende Krankheitsgeschehen mit effizienten Antioxidantien andererseits.
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