artikel nr: 2985

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Weiße Blutkörperchen - gefangen in der Blutbahn!

Forscher der Universität Göttingen konnten nun die Ursache einer seltenen Erbkrankheit bei Kindern aufklären. Bei der Erkrankung, die als "Leukozytenadhäsionsdefizienz II (LAD II)" beziehungsweise "Congenital Disorder of Glycosylation-IId (CDG-IId)" bezeichnet wird, handelt es sich um den neunten bisher bekannten molekularen Defekt in der CDG-Erkrankungsgruppe, die alle erblichen Störungen der Glykoproteinbiosynthese umfasst.

Die Betroffenen leiden unter geistigen und körperlichen Behinderungen sowie einer lebensbedrohlichen Infektanfälligkeit. In Europa wurde bei rund 300 Kindern eie CDG-Erkrankungen diagnostiziert, die Dunkelziffer liegt vermutlich jedoch wesentlich höher.

Die Erkrankung wurde vor 10 Jahren erstmals beschrieben. Das auffälligste Merkmal war damals die, wie bei einer akuten Infektion, stark erhöhte Zahl der Leukozyten im Blut. Weitere Untersuchungen zeigten, daß den Leukozyten ein Zucker, die Fukose, auf der Zelloberfläche fehlt, der für die Anheftung der Zellen an die Blutgefäßwand erforderlich ist. Daher wurde diese Erkrankung als "Leukozytenadhäsionsdefizienz" bezeichnet.

Um bei Entzündungen aus dem Blut in das betroffene Gewebe einwandern zu können, müssen Leukozyten sich an die Gefäßwand anheften. Bei den Patienten können die Leukozyten wegen der defekten Anheftung die Blutbahn nicht verlassen und sammeln sich im Blut an. Die Betroffenen leiden unter einer stark erhöhten Infektionsanfälligkeit.

Die Forscher der Universität Göttingen wiesen nach, daß die molekulare Ursache der Erkrankung auf die verminderte Bereitstellung des Zuckers Fukose bei der Synthese von Glykoproteinen zurückzuführen ist. "Bei der neu entdeckten Krankheitsursache kann der Körper den Zucker Fukose nicht in ausreichendem Maße an den richtigen Platz in den Zellen transportieren. Fukose wird zwar in die Zellen aufgenommen, die Schleuse, durch die Fukose in der Zelle an den Ort der Glykoproteinbiosynthese gelangt, ist jedoch zum größten Teil blockiert," erklärt Prof. Dr. von Figura.

Bei der Glykoprotein-Synthese, werden im menschlichen Organismus Zuckerketten an Eiweißmoleküle angeheftet. Diese Zuckerketten gewährleisten unter anderem die Stabilität, den Transport an den Ort der Wirkung und die Funktion der Proteine.

Um den molekularen Defekt der neu entdeckten CDG-Erkrankung nachzuweisen, schleusten die Forscher mit Hilfe von Retroviren eine Vielzahl menschlicher Gene in Zellen eines CDG-IId Patienten ein, die zuvor aus der Haut entnommen und in der Zellkultur weitergezüchtet worden waren. Eines dieser Gene, ein bisher unbekanntes Membranprotein, normalisierte den Einbau von Fukose in Glykoproteine. Dieses Protein ist verantwortlich für die Einschleusung der Fukose in die Organelle, in der Fukose in Glykoproteine eingebaut wird.

Im Falle des Patienten enthielt dieses Gen eine Mutation, die zum Verlust der Transport-Aktivität führt. Im Verlaufe der Untersuchungen stellten die Forscher fest, daß die Zugabe von Fukose in das Nährmedium der Patienten-Hautzellen zu einer Normalisierung der Glykoproteinbiosynthese führt.

Dieser Befund wurde von Kinderärzten der Universitäts-Kinderklinik Münster zum Anlass genommen dem Patienten Fukose mit der Nahrung zu verabreichen. Dadurch konnte eine Normalisierung der Leukozytenzahl im Blut des Patienten und eine starke Abnahme der Infektanfälligkeit erzielt werden.


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