artikel nr: 3009

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Taubsche Trainingstherapie: Wirksame Hilfe nach Schlaganfall

Die nach einem Schlaganfall oftmals zurückbleibende Lähmung ist kein unabänderliches Schicksal. Auch noch Jahre nach dem Ereignis können die Patienten lernen, "mit den Muskeln zu spielen".

Möglich ist dies durch das Taubsche Bewegungstraining, das Psychologen rund um Prof. Miltner von der Universität Jena gemeinsam mit amerikanischen Kollegen entwickelt haben. Miltner hält die Hälfte der in Deutschland lebenden Schlaganfallopfer , selbst Jahre nach dem Ereignis, für therapierbar.

"Nach einem Schlaganfall sind ja keineswegs die Muskeln und Sehnen geschädigt, sondern die Steuerungs- und Empfindungszentrale im Gehirn", erklärt Miltner. Die Forscher können zwar keine abgestorbenen Gehirnareale zu neuem Leben erwecken, sorgen aber durch ihr Trainingsprogrammdafür, daß deren Funktionen von benachbarten Gehirnregionen zumindest teilweise übernommen werden.

Hinter dieser Therapiemethode steckt, die Erkenntnis, daß sich unser Gehirn über die gesamte Lebensspanne in einem dynammischen Lernprozeß befindet - man spricht auch von der Plastizität des Gehirns. Miltner, der in Jena an die 100 Patienten therapiert hat, erzählt: "Unsere beste Patientin war 84 Jahre alt und kam 17 Jahre nach dem Ereignis zu uns. Anfangs hat sie ihren Arm überhaupt nicht benutzt, durch die Therapie bei uns hat sie wieder einen beinahe normalen Zustand erreicht."

Miltner berichtet weiter: "Der Erfolg des Taubschen Bewegungstrainings ist nachweisbar. Mit Hilfe bildgebender Verfahren, etwa der funktionellen Magnetresonanztomographie, können wir sehen, wie sich allmählich die aktiven Areale im Gehirn vergrößern. Das geschieht in unmittelbarer Nachbarschaft des geschädigten Bereichs, manchmal auch zusätzlich in gegenüberliegenden Regionen."

Grundsätzlich gilt die einfache Regel: Je komplexer die Bewegungsabläufe, desto größer ihre Repräsentationsebene im Gehirn. Ein Geiger hat zum Beispiel für seine Griffhand ein relativ großes Gehirnareal präsent. Diese neuronale Ausstattung haben Virtuosen aber nicht von Geburt an, sondern im Laufe eines jahrelangen mühsamen Trainings erworben.

Genau dies ist auch das Prinzip des Bewegungstrainings: Die Patienten müssen den gesunden Arm festgebunden in einer Schlinge tragen und mit dem kranken über eine Woche hinweg Tag für Tag von morgens bis abends ein grob- und feinmotorisches Training absolvieren, bis sie große und kleine Schrauben in Gewinde drehen oder - ein Kinderspiel - winzige farbige Pins in ein Lochbrett stecken können. Bei diesem massiven Training bilden sich um das abgestorbene Gehirnareal neue Neuronenverschaltungen heraus. "Unser Training ist für manchen Patienten sicher eine Art Folter", gesteht Miltner, "aber die Ergebnisse rechtfertigen alle Anstrengungen."


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