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Den Thymus regenerieren?

Deutsche Forscher konnten zeigen, daß sich nach Transplantation eines in Zellkultur hergestellten Thymus-Transplants in Empfängertieren ein funktioneller Thymus formen kann. Das bedeutet einen Durchbruch auf dem Sektor der Forschungen über das Immunsystem.

Der Thymus ist das wichtigste Organ für die Entstehung der zellulären Immunität. Im Thymus, der in Herznähe angesiedelt ist, entwickeln sich aus unreifen Vorläuferzellen reife T-(= Thymus-abhängige) Lymphozyten (Thymozyten), die auf körperfremde Stoffe reagieren. Sie besiedeln die peripheren lymphatischen Organe und spielen eine große Rolle bei der Abwehr von Infektionen.

Als Träger der Immunkompetenz des Organismus sind sie für die Abstoßung von Transplantaten verantwortlich. Bei Fehlsteuerungen können Autoimmunerkrankungen ausgelöst werden. Die Struktur des Thymus wird vor allem von Epithelzellen gebildet, die ein dreidimensionales Netzwerk formen, in dem sich die verschiedenen Stadien der T-Zell-Reifung abspielen.

Die Entwicklung des Thymus beginnt bereits im Fötus. Sein relativ größtes Gewicht hat das Organ zum Zeitpunkt der Geburt undwird im Laufe des Lebens immer kleiner (physiologische Involution) und in Fettgewebe umgewandelt. Prof. Rodewald von der Universität Ulm, und sein Team haben jetzt gezeigt, daß sich nach Transplantation eines in Zellkultur (in vitro) hergestellten Thymus-Epithelzell-"Reaggregates" in Empfängertieren ein funktioneller Thymus formen kann. Das bedeutet einen Durchbruch auf dem Sektor der Forschungen über das Immunsystem (die Arbeit wurde in der Dezember-Ausgabe von "Nature", 13.12.2001, veröffentlicht).

Bemerkenswerterweise entsteht aus der in vitro noch unorganisierten Struktur des Thymusepithels in vivo, also im Tiermodell, die klassische Thymus-Architektur mit Mark(Medulla)- und Rinden(Cortex)-Zonen. Bisher hatte man angenommen, daß sich die Medulla-Cortex-Architektur durch Annäherung und Umstülpung embryonaler Epithelzellschichten entwickelt.

Versuche mit Thymus-Epithelzell-"Reaggregaten" und mit genetisch "gemischten" (chimären) Mäusen, die von Rodewald in Zusammenarbeit mit Dr. Bluethmann, Hoffmann-La Roche, Basel, durchgeführt wurden, haben ergeben, daß klonales Wachstum epithelialer Vorläufer-(möglicherweise Stamm-)Zellen zur Medulla-Cortex-Organisation führt. Solche im Thymus bisher unbekannten Vorläuferzellen bilden epitheliale Inseln, wobei jede Insel aus einer einzigen Stammzelle entsteht.

Im Laufe des Lebens kann der Thymus zeitweise oder permanent durch eine Vielzahl von Schädigungen (Infektionen, Bestrahlungen, Medikamente) in seiner Funktion beeinträchtigt werden. Mit zunehmendem Alter ist die Thymusfunktion rückläufig (Altersinvolution). Die Thymus-Erhaltung bzw. -Regeneration hätte daher große medizinische Bedeutung. Die Frage, ob die jetzt identifizierten epithelialen Vorläuferzellen dabei eine Rolle spielen können, ist nun Gegenstand weiterer Forschungsarbeiten von Prof. Rodewald.


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