artikel nr: 3096

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Dilatierte Herzkranzgefaesse dauerhaft offenhalten?

Die Aufdehnung verengter oder bereits vollständig verschlossener Herzkranzgefäße (Ballondilatation) ist ein seit 20 Jahren weit verbreitetes und erprobtes Verfahren. Das Verfahren wird angewandt um einen drohenden Herzinfarkt zu verhindern oder - nach bereits eingetretenem Infarkt - weiteren Schäden am Herzmuskel vorzubeugen.

Die aufgedehnten Gefäße tendieren jedoch zum Wiederverschluß (zur "Re-Stenose"): Bei der hälfte der Patienten ist der dilatierte Gefäßabschnitt nach einem Jahr erneut verengt. Dies hängt damit zusammen, dass die Gefäßinnenwand bei der Dilatation verletzt wird und teilweise einreißt. Die so enstandene Wunde wird durch Zellen des Immunssystems und der Gefäßwand repariert - es entsteht eine Art wucherndes Narbengewebe. Trotz verschiedenster Ansätze sind die Versuche, das Problem der Re-Stenosierung grundsätzlich zu beheben, bislang gescheitert.

Nun haben Forscher der Berliner Charité ein neues Prinzip erkannt, das den Ansatz zur medikamentösen Verhinderung des Wiederverschlusses bietet: Dr. Meiners aus der Arbeitsgruppe um den Kardiologen Prof. Stangl und den Biochemiker Prof. Kloetzel, hat die grundlegenden Erkenntnisse, die zwar an Ratten gewonnen wurden, aber mit grosser Wahrscheinlichkeit für alle Säuger (und also auch für den Menschen) gelten, jüngst in der angesehenen Zeitschrift "Circulation" publiziert ([2002]; 105: 483-489).

Die Gruppe konnte zeigen, daß durch medikamentöse Hemmung eines Eiweissabbausystems, das in jeder Zelle vorhanden ist, die Häufigkeit von Re-Stenosen nach Ballondilatation um 75% gegenüber dem gegenwärtigen Stand verringert werden kann. Eiweiss-(Protein-) abbausysteme oder "Proteasome" sind große Proteinkomplexe in der Zelle, die darauf spezialisiert sind, geschädigte oder nicht mehr benötigte Proteine in der Zelle zu zerstören. Das Proteasom-System ist also eine Art Abfallbeseitigungsunternehmen und Sicherheitsprogramm für korrekte Zellfunktion.

Die Wissenschaft kennt bereits heute Substanzen, die die Arbeit des Proteasoms hemmen können. Solche Stoffe verhindern, daß die Zelle unbrauchbares Protein los wird, und blockieren wesentliche Prozesse, die die Zelle zum Überleben braucht. Spezialisierte Proteasom-Hemmstoffe werden daher neuerdings auch in der Krebsbehandlung eingesetzt. Die Forscher der Charité konnte nun zeigen, daß geeignete Proteasom Hemmsubstanzen auch für die Kardiologie von großer Bedeutung sein können.

Im Zellversuch und am Tiermodell konnten die Forscher dreierlei zeigen: Nach örtlicher Behandlung mit einem Proteasom-Hemmer (Arbeitsname: MG 132) - wird die Einwanderung von Immunzellen aus dem Blut in die durch Dilalation aufgeplatzte Gefäßinnenwand unterbunden, - unterbleiben weitgehend Wachstum und Teilung von Muskelzellen aus der Gefäßwand, die den Hauptanteil an der Re-Stenose der Gefäße ausmachen, - schalten die Zellen vermehrt ihr Selbstmord-(Apoptose-) Programm an.

Durch diese kombinerte entzündungs- und wachstumshemmende, und Apoptose-fördernde Wirkung blieb die gefürchtete Narbenbildung nach Ballondilatation an Ratten aus.

In Zukunft wird es darauf ankommen, die Hemmung des Protease-Systems als geeignete Maßnahme zur Verhinderunge von Re-Stenosen so spezifisch weiterzuentwickeln, daß der Wiederverschluß nach Dilatation von Gefäßen sicher ausbleibt, aber auch keine unerwünschten Nebenwirkungen eintreten.


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