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Fortschritte bei der Xenotransplantation

Seit dem 4. Minisymposium im vergangenen Jahr haben vier wichtige wissenschaftliche Befunde den Weg zur klinischen Anwendung der Xenotransplantation - der Übertragung von Zellen, Geweben und Organen vom Tier auf den Menschen - weiter geebnet.

So ist wurden etwa neue gentechnisch veränderte Schweine gezüchtet, deren Zellen und Organe weniger schnell vom Menschen als Transplantatempfänger abgestoßen werden. Erste Erfolge wurden bei der Induktion der Toleranz erzielt. Toleranz bedeutet, daß der Empfängerorganismus die Spenderzellen oder Organe nicht abstößt und daß keine pharmakologische Immunsuppression eingesetzt werden muß, die in hohen Dosen mit beachtlichen Nebenwirkungen verbunden ist.

Weiters konnte bei Infektionsversuchen mit Primaten keine Übertragung von porcinen endogenen Retroviren (PERV) festgestellt werden. Während die meisten Erreger durch Auswahl und geeignete Haltung der Schweine beseitigt werden können, ist das für die porcinen endogenen Retroviren des Schweins (PERVs) nicht möglich. Diese Viren sind im Erbgut aller Schweine verankert und können im Experiment menschliche Zellen infizieren. Weiters wurden spezifische und sensitive Methoden für PERV entwickelt, die einen Nachweis der Viren beim Transplantatempfänger nach experimenteller und klinischer Xenotransplantation ermöglichen.

Diese neuen Erkenntnisse wurden auf dem 5. Minisymposium der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Xenotransplantation (DAX) am Robert Koch- Institut vorgestellt und eingehend diskutiert. Doch dessen ungeachtet können der Nutzen für die Patienten und die möglichen Risiken dieser Behandlungsform noch nicht vollständig abgeschätzt werden. Dieses Fazit zogen die ca. 70 Transplantationsmediziner, Immunologen, Virologen, Ethiker, Juristen und Vertreter der zulassenden Behörden, die an der Veranstaltung teilnahmen.

"Wir benötigen noch erhebliche Forschungsanstrengungen, um weitere Fortschritte bei der klinischen Anwendung der Xenotransplantation, der Verhinderung der Abstoßung des Transplantats, der Sicherstellung der effizienten Regulation der Funktion des Transplantats im fremden Organismus und der Verhinderung der Übertragung von Mikroorganismen auf den Patienten zu erreichen", erklärte der Präsident des Robert Koch-Institutes, Prof. Kurth, bei der Eröffnung der Tagung.

In die Xenotransplantation setzen viele Mediziner und Patienten große Hoffnungen. Denn die Methode könnte die Probleme, die durch den Mangel an humanen Spenderorganen entstehen, beseitigen helfen und auch bei Krankheiten wie Diabetes oder Alzheimer, bei denen wichtige körpereigene Zellen zugrunde gehen, erstmals Heilungschancen eröffnen.

Die Arbeitsgruppe von Dr. Denner vom Robert Koch-Institut konnte zeigen, daß Affen, denen große Mengen an porcinen endogenen Retroviren appliziert wurden und deren Immunsystem mit Immunsuppressiva, ähnlich wie bei einer Transplantation, unterdrückt wurde, nicht von PERV infiziert wurden. Auch bei Affen, die Organe vom Schwein erhalten hatten, und bei Patienten, die erste klinisch-experimentelle Xenotransplantationen erhielten, z.B. eine Übertragung von Schweinehaut auf Patienten mit gravierenden Brandverletzungen oder von verkapselten Inselzellen vom Schwein auf Diabeteskranke, ließen sich die endogenen Retroviren vom Schwein nicht nachweisen.

Auf dem Minisymposium wurden auch alternative Möglichkeiten der Behandlung von Patienten mit Organ- und Gewebeschäden besprochen, wie zum Beispiel die Züchtung von Organen oder Geweben aus menschlichen adulten Stammzellen. Obwohl dieser Ansatz sehr viel versprechend scheint, ist eine klinische Realisierung in naher Zukunft sicher schwierig. "Der xenogenen Transplantation fällt somit eine Übergangsrolle bei erhöhtem Transplantationsbedarf zu: die allogene Transplantation ist nur schwer zu erhöhen, die Lebendspende eher rückläufig und die Stammzellforschung noch im Reagenzglas" meinte Prof Abendroth, der Leiter des Transplantationszentrums Ulm.

Neben den biologischen Aspekten der Xenotransplantation und der Stammzellforschung wurden auch deren juristische und ethische Aspekte besprochen. Die von Dr. Denner (RKI) und Dr. Tönjes, (Paul-Ehrlich-Institut) geleitete DAX hat auch die Aufgabe, Kriterien für die klinische Anwendung der Xenotransplantation zu erarbeiten.

Bei der Erarbeitung solcher Richtlinien muß nicht nur den Bedürfnissen von Patienten Rechnung getragen werden, die ohne Transplantation häufig frühzeitiger sterben würden, andererseits ist sicherzustellen, daß keine Krankheitserreger vom Tier auf den Menschen übertragen werden und sich möglicherweise in der Bevölkerung ausbreiten. Es ist deshalb sinnvoll, für die klinische Xenotransplantation Überwachungs- und Vorsichtsmaßnahmen im internationalen Rahmen zu erarbeiten.


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