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Hirntumor: Bessere Chancen für Säuglinge

Wissenschafter konnten nun durch ein neuartiges chemotherapeutisches Behandlungskonzept die Heilungsaussichten für Kinder unter drei Jahren verbessern, die an einem Medulloblastom, dem häufigsten bösartigen Hirntumor des Kindes- und Jugendalters, erkrankt sind. Das erstmals erprobte Behandlungskonzept erlaubt den Verzicht auf eine Strahlentherapie. Hierdurch konnten bei Kindern dieser Altersgruppe Intelligenzdefizite und andere Spätfolgen der traditionellen Behandlungsmethode vermindert werden.

Die Kind-Philipp-Stiftung für Leukämieforschung im Stifterverband verleiht ihren mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Forschungspreis 2004 zu gleichen Teilen an Dr. med. Stefan Rutkowski und postum an Prof. Dr. med. Joachim Kühl, Klinik für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Würzburg.

Joachim Kühl, der kürzlich verstarb, wird durch den Preis postum für seine hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Erforschung der kindlichen Hirntumoren geehrt. Als Seniorautor betreute Kühl die Forschungsarbeit, für die Stefan Rutkowski als Erstautor mit dem Preis der Kind-Philipp-Stiftung ausgezeichnet wird.

Das Medulloblastom ist der häufigste bösartige Hirntumor des Kindes- und Jugendalters. Bei älteren Kindern und Jugendlichen konnten die Behandlungsergebnisse durch Kombination bzw. Modifikation der Behandlungs-Elemente (Operation, Bestrahlung von Gehirn und Rückenmarkskanal, Chemotherapie) im Rahmen von Studien schritweise verbessert werden. So betragen die Überlebens- und Heilungsraten für Kinder im Alter von 3 - 18 Jahren nach Operation, Strahlentherapie (Gehirn und Rückenmark) und Chemotherapie derzeit 70 - 80 %.

Für Kinder unter 3 Jahren waren die Heilungsaussichtungen mit 25 - 40 % deutlich ungünstiger, da sich Medulloblastome bei jüngeren Kindern aggressiver verhalten. Außerdem hatten die Pilotstudie HIT-SKK'87 und Studien in anderen Ländern gezeigt, dass sich eine Bestrahlung des noch unreifen Gehirns bei jungen Kindern ungünstig auf deren weitere Intelligenzentwicklung auswirkt und daher möglichst spät oder mit reduzierter Intensität erfolgen sollte.

Ziel der Studie HIT-SKK'92 war es, Säuglinge und Kleinkinder mit einer effektiveren Chemotherapie zu behandeln und dadurch eine Bestrahlung ganz zu vermeiden. Neuartig war dabei die Einführung einer Chemotherapie, bei der ein Zellgift (Methotrexat) nicht nur über das Blut, sondern auch über eine spezielle Kapsel direkt in das Nervenwasser der Kinder verabreicht wurde (intraventrikuläre Chemotherapie).

Durch das neuartige chemotherapeutische Behandlungskonzept konnten die Heilungsaussichten für Kinder unter 3 Jahren mit Medulloblastom ohne Metastasierung auch im internationalen Vergleich verbessert werden. Die erfolgreiche Vermeidung einer Strahlentherapie führte bei Kindern in dieser Altersgruppe zu einer Verminderung von Intelligenzdefiziten und Spätfolgen und trug zu einer besseren Lebensqualität der überlebenden Kinder bei. Neu identifizierte Risikofaktoren können eine weitere Verbesserung der Ergebnisse in künftigen Studien ermöglichen.

Die Arbeit wurde im März 2005 in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht.

1. Rutkowski S, Bode U, Deinlein F, et al. Treatment of early childhood medulloblastoma by postoperative chemotherapy alone. N Engl J Med 2005;352(10):978-86.


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