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Die Skarifizierung als Körperinszenierung

Die Skarifizierung kommt vor allem bei den Völkern des Sudans vor. Wobei mit Sudan ein ca. 1000 km breiter Landschaftsgürtel gemeint ist, der sich zwischen der Sahara und dem Regenwald quer über den afrikanischen Kontinent erstreckt. Von der Atlantikküste Senegals im Westen dehnt sich der Sudan, das "Land der Schwarzen", bis an die westlichen Abhänge des äthiopischen Gebirgsmassivs aus. In den Siebzigerjahren lebten 60 Millionen Menschen (das sind etwa 21 % der Bevölkerung Afrikas) im Sudan. Der Sudan wird nach klimatischen Kriterien eingeteilt in den Sahel (Dornsavanne) und die Regengrünen Savannen, die wiederum in Trocken- und Feuchtsavanne unterschieden werden. Der Sudan blickt auf eine Jahrtausende alte Geschichte zurück, gekennzeichnet durch weite Handelswege, (Sklaven, Salz, Gold, Elfenbein, Gewürze)) und große Königreiche, die vor allem an den Endpunkten der großen Transsaharischen Karawanenrouten entstanden, und durch kriegerische Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft.


Ethnien - die Völker des Sudans
Die ca. 350 verschiedenen Ethnien werfen ein verwirrendes Bild auf den Sudan und sind eine Folge der bewegten Geschichte dieses Raumes. Der Begriff Ethnie bezeichnet eine Bevölkerungsgruppe, die eine gemeinsame Kultur, eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsamer Name verbindet. Jedes Mitglied einer Ethnie hat auch ein ethnisches Bewußtsein. Bei einer seßhaften Bevölkerung bewohnt eine Ethnie im allgemeinen ein bestimmtes Territorium, nomadische Ethnien leben oft weit verstreut. Ebenso unterschiedlich ist auch die Anzahl der Menschen, die einer Ethnie angehören.
Klar unterschieden werden muß zwischen Ethnie und Nationalstaat. Die Grenzen der nachkolonialen Staaten sind willkürliche Grenzziehungen, die keine Rücksicht auf die ansässige Bevölkerung genommen haben. So umfassen einerseits die Staaten Menschen von ganz unterschiedlicher Kultur, Sprache und Lebensweise, andererseits sind oft Angehörige einer Ethnie auf mehrere Staaten verteilt.Der großen Anzahl ethnischer Gruppierungen entspricht auch eine große Vielfalt sudanischer Kulturen: Man kann die Ethnien aber nach Kulturtypen gliedern:

1. Savannenbauern: z.B. Hadjerai (Bergbewohner), z.B. Dinka (Flachlandbewohner)
2. Großviehnomaden z.B. Fulbe- Bororo, z.B. Araber des Sudans
3. Städtebauer des Sudans

Die Ethnien, von denen Bilder in der Ausstellung Lebensspuren Narben integriert sind


Die Fulbe: (ca. 6 Mio)
Sie sind nicht-negriden Ursprungs, wobei sich ein Teil der Fulbe stark mit Negriden vermischt hat, während ein anderer Teil ihr rassisches Ideal in den hellhäutigen, europiden Bororo-Nomaden sehen. Die Herkunft der Fulbe ist nach wie vor rätselhaft. Der größte Teil ist seßhaft, während ca. ein Drittel Nomaden oder Halbnomaden ist.


Die Hadjerai (ca. 100.000)
Sie leben im Gebirgsmassiv des Zentraltschads und sind Gebirgsbauern. Es herrscht strenge Arbeitsteilung der Geschlechter. Das soziale Ideal ist die polygyne Ehe.
Eine Hadjerai Ethnie setzt sich aus mehreren Stämmen zusammen, jeder Stamm bewohnt ein Dorf. Innerhalb des Dorfes gibt es mehrere Dorfviertel, deren Bewohner miteinander verwandt sind, sie bilden einen Clan. Alle Mitglieder des Clans leiten ihre Abstammung von einem gemeinsamen Ahnen ab, der den Clan gegründet hat. Die Ehefrauen zählen nicht zur Verwandtschaft, denn sie stammen aus anderen Clans. Männer dürfen keine Frauen des eigenen Clans heiraten. Die Kinder gehören dem Clan des Vaters an. Die Klanzugehörigkeit wird über ein spezielles Narbenmuster ausgedrückt. Die Hadjerai-Mädchen werden im Gesicht, auf Rücken, Bauch und Schultern skarifiziert. Erst danach gilt ein Mädchen als heiratsfähig.


Die Dinka (ca. 900.000)
Die Dinka bilden die größte Ethnie innerhalb der Niloten, einer rassisch hochspezialisierten Gruppe von Negriden im südöstlichen Sudan. 10 große und 15 kleinere Dinka-Stämme sind bekannt. Jeder mit einem bestimmten Territorium, auf dem man weit verstreut in lockeren Siedlungsgemeinschaften lebt. Auch hier ist das Klansystem das einigende Band, das den Stamm, die Unterstämme und die Dörfer zusammenhält. Die Dinka kennen keine Form staatlicher Autorität, sind aber an strenge Regeln des Zusammenlebens gebunden. Das Hauptinteresse der Dinka gilt ihren Rindern, sie verfügen dementsprechend auch über einen umfangreichen Wortschatz, um die Eigenschaften ihrer Rinder auszudrücken und die Position eines Rindes innerhalb der Herde zu beschreiben. Die gleichen Worte werden auch auf die Eigenschaften und sozialen Beziehungen der Menschen angewandt. Die Dinka sind Menschen mit ausgeprägtem ästhetischen Empfinden. Sie kommt in den Rinderzüchtungen, in den Narbenverzierungen der Frauen und in Dichtung und Gesang zum Ausdruck.

Musgum (25.000), Massa(135.000L) und Sara (750.000)
Sie leben, neben vielen anderen Völkern, von Ackerbau, Viehzucht und Fischfang im Tschad und am
Logone, dem Grenzfluß zwischen Tschad und Kamerun.

Die Skarifizierung
Die Skarifizierung erfüllt im wesentlichen drei Funktionen:

Klanmerkmal
jeder Clan hat sein spezielles Narbenmuster, das meist im Gesicht, aber auch (z.B. bei den Dinka) am Bauch angebracht wird. Die Skarifizierung sichert die Klanzugehörigkeit, und die Bindung an die Stammesregeln. Man kann seinem Clan nicht entfliehen.

Körperschmuck
Nackte, unverzierte Körper werden als unschön empfunden. Die Skarifizierung ist Teil einer Körperinszenierung, zu der ebenso Haartracht, Schmuck, Kleidung und Körperbemalung gehören. Die glänzende Haut über einer Narbe wird als schön empfunden. Mit dem Bambusmesser werden regelmäßige Muster an Schulter, Brust, Bauch und Rücken angebracht.

Initiation
Ein Mädchen wird mit der Narben-Tatauierung zur heiratsfähigen Jungfrau. Sie beweist damit, Schmerzen ohne zu klagen erdulden zu können und tritt mit der Skarifizierung in einen neuen Lebensabschnitt ein. Oftmals kommen mit jedem einschneidendem Ereignis in ihrem Leben - z.B. Heirat, Geburt usw. - neue Narben hinzu.

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