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Der Einfluß somatopsychischer, psychodynamischer und psychosozialer Faktoren durch Veränderung des Körperbildes

In unserem Kulturkreis wird die Narbe in den meisten Fällen als Beeinträchtigung und Störfaktor des Körperbildes betrachtet. Die Veränderungen des Organs "Haut" sind sowohl für den Betroffenen als auch für seine Umgebung sichtbar und lösen individuelle emotionale Reaktionsmuster aus. Vor allem bei malignen onkologischen Erkrankungen werden mit der Narbe Schmerzen, Verstümmelung bzw. Verlust eines Körperteils, Behinderung, Sterben und Tod assoziiert. Verbrennungen, Schnittverletzungen und operative Eingriffe, speziell im Gesicht, verstärken, aufgrund der Reaktionen des psychosozialen Umfeldes (Ekel, Furcht und Abartigkeit) in der Regel den Rückzug des Patienten aus seiner Umwelt.
Ein wesentliches Element der Betreuung des Patienten spielt die bio-psychosoziale Anamnesetechnik, die u.a. auch nicht-verbale Hinweise wie Körperhaltung, Gestik und Erzählstil berücksichtigen sollte.


Vor der Operation: die Arzt-Patient-Beziehung ist wichtig
Da ein bevorstehender operativer Eingriff für den Betroffenen auch mit Angst, Hilflosigkeit und Abhängigkeit verbunden ist, bedarf es besonders in der Chirurgie einer tragfähigen Arzt-Patient-Beziehung. Die präoperative Aufklärung hat das Ziel einer einfühlsamen Erklärung der Erkrankung, der Risiken und Begleitsymptome der Operation. Idealisierte Erwartungen an die Operation - risikofrei, schmerzlos, komplikationslos, narbenfrei - sollten dem Patienten auf dem Boden einer vertrauensvollen Beziehung bewußt gemacht werden und ihm ermöglichen, sich mit dem operativen Eingriff und Krankheitsverlauf auf einer realistischen Ebene auseinanderzusetzen. Bei Patienten mit präoperativer Vorbereitung verläuft der Heilungsprozeß in der Restitutionsphase wesentlich freier von somatischen und psychosomatischen Komplikationen.


Multiprofessionalität und Interdisziplinarität bei der Patientenbetreuung
In den letzten Jahren spielen immer mehr die Aspekte der Multiprofessionalität und Interdisziplinarität bei der Patientenbetreuung eine entscheidende Rolle. Zum Behandlungsteam der Zukunft werden Klinische Psychologen, meist mit psychotherapeutischer Zusatzausbildung, einen wichtigen Beitrag bei der Krankheitsbewältigung des Patienten leisten.
Die Erkrankung, der Aufenthalt und der Alltag im Spital werden in der Psychologie als "kritisches Lebensereignis" bezeichnet, das beim Patienten ein posttraumatisches Belastungssyndrom auslösen können. Wird dem Patient in dieser Streßsituation, die oft lebensbedrohende emotionale Reaktionen auslöst, auf seinen Wunsch oder durch ärztliche Indikation ein klinischer Fachpsychologe zur Verfügung gestellt, sind der Krankenhausaufenthalt und das postoperative Ergebnis weniger traumatisierend. Überdies gelingt es den meisten Patienten, die Krankheit leichter zu bewältigen und rascher die allgemeine Lebenszufriedenheit zu erreichen. Gerade vorausgegangene Traumata und chirurgische Interventionen führen zur Veränderung des Körperbildes. In vielen Lebensgeschichten des Patienten finden wir schwierige soziale und finanzielle Verhältnisse, die den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen. Das "live-event Krankheit", und die oft daraus resultierenden Narben, haben Auswirkungen auf den physischen, psychischen und psychosozialen Status. Der lebensbedrohliche Zustand wird in den meisten Fällen durch den chirurgischen Eingriff behoben. Die Narbe bleibt jedoch sowohl für den Patienten als auch für seine Umwelt sichtbar.


Narben können bei Betroffenen Konflikte auslösen
Die Akzeptanz des Narbengewebes, vor allem bei entstellenden Narben, bereitet dem Patienten enorme Konflikte. Die entsetzten Blicke der anderen, z. B. bei Verbrennungen im Gesicht, aber auch das veränderte Körperbild verursachen beim Patienten u.a. Ängste, depressive Verstimmungen, Wut und Ärger und beeinträchtigen dadurch den postoperativen Verlauf und die Integration in die Gesellschaft. Aus klinisch-psychologischer und verhaltensmedizinischer Sicht sollte sowohl prä- als auch postoperativ der "schönen Narbe" einen größerer Stellenwert zugeschrieben werden, da somatopsychosoziale Wechselwirkungen für die Entstehung und Heilung von Erkrankungen von großer Bedeutung sind.

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