Lebensspuren
Narben
Schönheit oder
Makel?
Mit einer
ungewöhnlichen Ausstellung werden die Besucher des Lorenz Böhler
Unfallkrankenhauses in Wien ab dem 5. November konfrontiert: "Lebensspuren
Narben" heißt die Dokumentation zweier grundsätzlich
verschiedener Welten. Kulturell verankerte Schmuck- und Stammesnarben
afrikanischer Völker stehen im krassen Gegensatz zu den als unästhetisch
empfundenen Narben unserer heutigen Gesellschaft nach Verletzungen und
Operationen. Die Ausstellung dauert über einen Monat und ist frei
zugänglich.
Das Spannungsfeld wurde bewußt gewählt, denn Narben sind
Lebensspuren, die sich nicht auslöschen lassen. Sie sind endgültig,
aber sie sind nicht unveränderlich. Dafür steht die moderne
Medizin mit ihren heutigen Möglichkeiten, Narben zu korrigieren
und ihr Aussehen möglichst an die umgebende Haut anzupassen. Auch
darüber informiert die Ausstellung mit eindrucksvollen Bildern.
Schmucknarben: ästhetische Spielerei bis
hin zur Magie
Mehr als zwei Meter hoch sind die 15 Foto-Collagen. Viele
mittlerweile teilweise rare Aufnahmen vor allem aus dem Sudan zeigen
die kunstvolle Gestaltung des Körpers durch die Skarifizierung,
die auch Narben-Tatuierung genannt wird. Diese Schmuck- und Ziernarben
dienten, wie es der Wiener Ethnologe Doz. Dr. Manfred Kremser formuliert,
"der Abgrenzung, der Heraushebung, dem Prestigebedürfnis,
ästhetischer Spielerei oder auch magischen Absichten - mit lebenslanger
Dauer!" Narben-Tatuierungen finden sich in tausendfachen Variationen,
Zeichnungen, Musterungen, Ornamente und religiösen Symbolen. Ihre
Bedeutung reicht vom einfachen Schmuckbedürfnis bis zu Stammes-
und Rangabzeichen.
Narben heute: tabuisiert und vielfach als belastend
empfunden
Diesen gewollten und als schön empfundenen Skarifizierungen
stehen Narben nach Verletzungen gegenüber, die also ungewollt sind
und daher meistens als unästhetisch bis entstellend empfunden werden.
Für die Betroffenen ergeben sich damit nicht nur körperliche,
sondern auch psychische Komplikationen, die oft nur mit Hilfe von Ärzten
bewältigt werden können.
Größere, und damit nach unserem heutigen Empfinden unschöne
Narben werden meistens tabuisiert. Man versteckt sie unter der Kleidung,
oft schämt man sich für sie.
Gemessen an den weitgehend unbekannten, aber zahlreichen Korrekturmöglichkeiten
der plastischen Chirurgie, aber auch der sehr effektiven Selbstbehandlung
von Narben könnte durchaus mehr Akzeptanz für Narben bestehen.
Denn Narben sind so normal, wie eben auch Verletzungen etwas Normales
darstellen, oder etwa Operationen. Neben den "einfachen" Narben
gibt es allerdings auch solche, die durchaus unschön wirken. Zum
Beispiel atrophische Narben bei besonders schwerer Akne, großflächigen
Verbrennungen dritten Grades, die dann auch noch verbunden sind mit
schmerzhaften Hautspannungen, die bis hin zu Bewegungseinschränkungen
reichen.
Hier hat die Plastische Chirurgie eine ganze Reihe von Techniken entwickelt,
die mit einer verblüffend großen Erfolgsquote diese Bewegungseinschränkungen
beseitigen und das Aussehen der Narbe verbessern können. Allerdings
gibt es eine Einschränkung: Wo einmal eine Narbe entstanden ist,
wird immer eine sein. "Schließlich handelt es sich um untergegangenes
Gewebe, das weniger durchblutet ist als normale Haut und auch nicht
so belastungsfähig", betont der Wiener Plastische Chirurg
Univ.Doz. Dr. Artur Worseg. "Wenn in der Phase der Gewebeneubildung,
der anschließenden Wundkontraktion und Narbenreifung Störungen
auftreten, können Problemnarben entstehen!"
Selbstbehandlung
Immer noch gültig, aber viel zu wenig im Bewußtsein
der Patienten ist die Eigenmassage der Narbe mit einer Narbensalbe,
mit der zwei bis drei Wochen nach der Operation begonnen werden sollte.
Die Wirkung ergibt sich durch die Kombination von Zwiebelextrakt, Allantoin
und Heparin. Wird diese Massage lang genug durchgeführt - oft ist
sie bis zu einem halben Jahr notwendig - lassen sich sehr gute Erfolge
erzielen. Die Narbe wird weich und geschmeidig, die Durchblutung des
umgebenden Gewebes wird verbessert und ihr Erscheinungsbild tritt deutlich
zurück.
Andere Möglichkeiten der Narbenbehandlung sind Kompressionsverbände,
Silikonauflagen, Bestrahlung und eventuell Laseranwendung. Bei wulstigen
Narben können durch Unterspritzungen manchmal gute Ergebnisse erzielt
werden.
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